nd-aktuell.de / 21.01.2010 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Fischer gegen ThyssenKrupp

Proteste fürchten Umweltschäden durch geplantes Stahlwerk

Mona Grosche
Brasilianische Fischer protestieren bei der heutigen Hauptversammlung von ThyssenKrupp in Bochum gegen den Bau eines Stahlwerks in der Sepetiba-Bucht.

»Wir wollen als Fischer respektiert werden und wir wollen, dass ThyssenKrupp sich verantwortlich fühlt für die Umweltschäden, die sie verursachen«, erläutert der brasilianischen Fischer Luis Carlos Oliveira sein Anliegen, das ihn heute nach Bochum führt. Oliveira sowie weitere Vertreter von Menschenrechtsorganisationen nutzen dort die Hauptversammlung von ThyssenKrupp, um den Aktionären ihre Beschwerden gegen ein seit 2006 im Bau befindlichen Stahlwerk in der Sepetiba-Bucht persönlich vorzutragen.

Auf diese Weise hoffen sie, den Konzern nach langem Schweigen doch noch zum Dialog zu bewegen. Unterstützt werden sie dabei durch einen Gegenantrag, den der Dachverband der Kritischen Aktionäre in die Tagesordnung der Hauptversammlung einbringt. Darin führt man neben Verstößen gegen brasilianisches Umweltrecht und der Missachtung von Arbeitnehmerrechten massive Menschrechtsverletzungen als Kritikpunkte auf: »Die Aktivitäten zum Schutz des Werkes sind eng verknüpft mit denen lokaler Milizen, einer informellen Gruppe aus früheren Polizisten, Feuerwehrmännern und Politikern, die die Gegend unter ihrer Kontrolle haben.«

Dass diese Milizen versuchen, die Proteste und Klagen gegen das Stahlwerk mit Gewalt zu unterdrücken, ist mittlerweile Gegenstand behördlicher Untersuchungen geworden. So konnte Oliveira auf einer Anhörung im Frühjahr 2009 den Mann identifizieren, der ihn mit dem Tod bedroht hatte. Dieser ist nicht nur ein bekanntes Milizmitglied, sondern zugleich Sicherheitschef des Stahlkonsortiums CSA, an dem ThyssenKrupp 73 Prozent der Firmenanteile hält.

Einzige Folge für den Sicherheitsmann war eine kurze Suspendierung. Oliveira hingegen musste in ein Schutzprogramm der brasilianischen Regierung aufgenommen werden und lebt seitdem untergetaucht in wechselnden Regionen Brasiliens. »Aber auch wenn ich von meinen Kollegen entfernt bin, kämpfe ich weiter«, so der Fischer.

Ein entsprechender Bericht des Menschrechtssekretariats der brasilianischen Regierung liegt seit Ende 2009 auch dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vor: »Der Beauftrage der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Günter Nooke, hat darauf auch geantwortet und mitgeteilt, dass ThyssenKrupp alle Vorwürfe zurückgewiesen hat«, berichtet Christian Russau vom Vorstand des bundesweiten Netzwerks der Brasilien-Solidarität, Kooperation Brasilien. Immerhin hat Nooke die Menschrechtler für den 25. Januar zu einem Gespräch nach Berlin eingeladen. Und wenige Tage später wird das umstrittene Projekt auch Thema im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit des Bundestags sein. Sowohl Oliveira als auch Vertreter von ThyssenKrupp sollen auf der einstündigen Sitzung zu Wort kommen. »Viel erwarten kann man davon nicht, aber immerhin ist es vielleicht der Beginn eines Dialogs«, kommentiert Russau.

Darauf setzt auch Fischer Luis Oliveira seine Hoffnung: »Das Unternehmen muss in Brasilien nach den gleichen Standards wie in Deutschland arbeiten. Die 8000 Fischer in der Bucht von Sepetiba wollen wieder ihrer Arbeit nachgehen«.