Mehr Sicherheit im Alltag

Neue DIN-Norm regelt Farbkontraste und Schriftgrößen – Sehbehinderte profitieren

  • Mona Grosche
  • Lesedauer: 3 Min.
Bisher waren Hinweisschilder oder Fahrpläne nicht unbedingt auf die Bedürfnisse sehbehinderter Menschen ausgerichtet. Das soll sich nun ändern – mit einer neuen DIN-Norm, die Kontraste und Schriftgrößen regelt.
Weißer Lichtschalter auf weißen Fliesen – für Sehbehinderte kaum zu erkennen ND-
Weißer Lichtschalter auf weißen Fliesen – für Sehbehinderte kaum zu erkennen ND-

»Denn was man Schwarz auf Weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen« – das wusste bereits der Famulus in Goethes Faust. Doch genau das »Schwarz auf Weiß« bereitet vielen Menschen, vor allem Älteren und Sehbehinderten, Probleme, wenn sie ratlos vor Automaten, Hinweistafeln oder Fahrplänen stehen. Häufig ist die Schrift zu klein oder das Ganze hat zu wenig Kontrast. Auch manche Schalter oder Knöpfe entsprechen eher dem ästhetischen Empfinden des Designers als den Bedürfnissen der Benutzer: »Stellen Sie sich vor, Sie sind sehbehindert und sollen in einer öffentlichen Toilette einen weißen Funktionsschalter auf weißen Fliesen finden«, erläutert Hans-Karl Peter vom DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.) die Problematik.

Abhilfe verspricht eine DIN-Norm, die seit Ende 2009 in Kraft ist. Die Norm DIN 32975 »Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung« regelt alles was das bessere Sehen in Rathäusern, Schwimmbädern oder Bahnhöfen anbelangt. Dabei umfasst sie nicht nur die Festlegung von Grenzwerten für Kontraste. In ihr geht es auch um die richtige Beleuchtung und die Größe von Informations-elementen und Schriftzeichen. Zudem regelt sie das Verhältnis, in dem diese Werte stehen müssen, um eine möglichst gute Wahrnehmbarkeit zu erreichen.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) hatte fünfzehn Jahre lang dafür gekämpft, dass diese Norm für eine verbesserte visuelle Wahrnehmung Wirklichkeit wird: »Das ist die erste Norm in Deutschland, die sich überhaupt mit Sehbehinderung beschäftigt«, freut sich Peters über das Ergebnis, an dem er selbst als Obmann im DIN-Gremium mitgearbeitet hat. 117 Monate hat man im dritten Anlauf gebraucht, um nach zähem Ringen und starken Vorbehalten, etwa von Seiten der Bundesarchitektenkammer, endlich ein verbindliches Regelwerk vorweisen zu können.

Geholfen haben bei der Umsetzung laut Peter nicht nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse der internationalen Beleuchtungskommission, die deren Experte Professor Axel Stockmar ins Ausarbeitungsgremium mit einbrachte, sondern auch die aktive Mitarbeit der Deutschen Bahn, die einer der größten Anwender in der Praxis ist – und somit ein reges Interesse an umsetzbaren, realitätsnahen Bestimmungen hatte.

In diesem Sinne hat man sich bei der Norm auch vor überzogenen Forderungen in Acht genommen. »Es gibt keine konkreten Farbbeispiele und keine Festlegung auf bestimmte Kombinationen«, so Peter. Da es immer auch zusätzliche äußere Faktoren gibt, die die Wahrnehmbarkeit mit beeinflussen, beschränkt sich die Norm darauf, Mindestwerte für den Leuchtdichtekontrast zu bestimmen, die auf der Basis aktueller Untersuchungen mit älteren und sehbehinderten Menschen festgelegt wurden. Zwei unterschiedliche Werte, die der Anwender leicht über die entsprechenden Formeln im Anhang errechnen kann, legen fest, wie groß der Kontrast für Schrift- und Bildzeichen (zum Beispiel bei Fahrplänen) und für alle anderen Informationsträger zu sein hat.

Von nun an heißt barrierefreies Bauen also, dass die öffentliche Hand bei neuen Bauprojekten auch die Belange von Menschen mit Sehbehinderungen mitberücksichtigen muss. Einen kleinen Haken gibt es allerdings noch, denn es werden sicher nicht alle Punkte der Norm in die einzelnen Landesbauordnungen einfließen. Aber ein erster Schritt gegen Stolperfallen und unlesbare Schilder ist gemacht.

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