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Die Medienmaschine

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist Bildungs- und Medienredakteur dieser Zeitung.
Der Autor ist Bildungs- und Medienredakteur dieser Zeitung.

Manchmal tut das »Bild«-kritische Watchblog »bildblog« der »Bild«-Zeitung ja unrecht. Zum Beispiel kürzlich, als die Macher der Internetseite meinten, das Springer-Blatt habe den Tod der Moderatorin Petra Schürmann mit einer falschen Altersangabe vermeldet. Während alle anderen Medien das Alter der Gestorbenen mit 74 angaben, beharrte »Bild« darauf, dass die frühere »Miss World« im Alter von 76 Jahren gestorben sei. In diesem Fall aber waren die Springer-Leute im Recht, wie »bildblog« schließlich eingestehen musste.

Aber nicht nur, dass sich »bildblog« diesmal irrte, war die seltene Ausnahme von der Regel, sondern auch die Tatsache, dass andere Medien sich nicht auf »Bild« verließen und ungeprüft nachdruckten, was von der Boulevard-Zeitung in die Welt gesetzt wurde. Der Normalfall ist ein anderer: »Bild« verkündet und (fast) alle anderen Medien verbreiten die Meldung ungeprüft. So wie Anfang Januar. Da hatte »Bild« vermeldet, die Zahl der Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund sei 2009 deutlich zurückgegangen, und sich dabei auf das Bundeskriminalamt (BKA) berufen. Diverse Medien, darunter auch die Nachrichtenagentur dpa, übernahmen die Meldung, ohne offenbar auch nur den leisesten Zweifel an deren Wahrheitsgehalt zu haben. Kurioserweise hatte dpa sogar beim BKA nachgefragt und dort die Auskunft erhalten, die Zahlen stammten nicht von ihm. Dennoch wurde die Ente unter der Überschrift »Zeitung: Zahl rechtsextremer Gewalttaten gesunken« in die Welt gesetzt, ergänzt um das BKA-Dementi. Die Meldung hatte damit ungefähr den gleichen Informationsgehalt wie die Behauptung, eine Zeitung vermelde, die NASA habe mitgeteilt, auf dem Mars grüne Männchen entdeckt zu haben, was die Weltraumbehörde jedoch dementiere.

»bildblog« weist in dem betreffenden Eintrag darauf hin, dass der »Bild«-Redakteur, der die Nachricht über den angeblichen Rückgang rechter Gewalttaten vermeldete (endgültige Zahlen liegen übrigens noch nicht vor, das BKA geht aber davon aus, dass die Zahlen 2009 ähnlich hoch waren wie im Vorjahr), ein Wiederholungstäter ist. Bereits in der Vergangenheit habe er die Zahlen rechter Gewalt systematisch niedrig gerechnet. Fragt sich, warum viele Medien das noch nicht gemerkt haben

In einer Zeit, in der Effekthascherei mediale Aufmerksamkeit verspricht, zählt das Langzeitgedächtnis im täglichen Mediengeschäft nur noch wenig. Die Meldung vom deutlichen Rückgang rechtsextremer Gewalttaten war zu sensationell, als dass man sie mit Recherche verwässern wollte. Die Medienmaschine wird zudem durch die Regeln des Internet angetrieben – wer drin bleiben will im System, muss schnell sein, wer das Spiel »Stille Post« unterbricht, ist ein Spielverderber.

Räsonieren, abwägen, nachforschen, das ist der Sand in diesem Getriebe. Dabei hätte ein Blick ins eigene Archiv nur wenig Zeit gekostet, noch schneller hätte man sich über die Internetsuchmaschine Google informieren können: Mitte Dezember 2009 hatten die Medien mit Berufung auf BKA-Chef Jörg Zierke von einer stabil hohen Zahl rechter Gewalttaten sowie von einer zunehmenden Brutalität der rechten Gewalttäter berichtet, vor der Zierke gewarnt hatte.

Übrigens: Die Meldung der »Bild«-Zeitung findet sich nach wie vor im Online-Angebot großer deutscher Zeitungen und Zeitschriften. Wie wenig Tatsachen im Mediengeschäft zählen, demonstriert dabei das Magazin »Focus«. Die Jünger Markworts waren über die Richtigstellung der »Bild«Nachricht durch das BKA offensichtlich so enttäuscht, dass sie die dpa-Meldung »aufhübschten«. Ganz ohne jegliche Faktengrundlage spekulieren sie darüber, das BKA suche nach einer »undichten Stelle«, durch die die Zahlen zur rechten Gewalt, »die nicht amtlich waren«, an die Öffentlichkeit gelangt seien.

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