Barack Obama will sich neu erfinden

USA: Heutige Botschaft zur Lage der Nation im Zeichen großer Nervosität der Demokraten

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Präsident und regierende Demokraten in den USA sind angeschlagen, in heller Aufregung und fieberhaft bemüht, verlorenen Boden gutzumachen.

Eine Woche nach der Niederlage bei einer Senatsnachwahl in Massachusetts, mit der die Demokraten im Bundessenat ihre vetosichere Supermehrheit zur Verabschiedung großer Gesetzesvorhaben wie der nationalen Gesundheitsreform verloren haben, ist die Partei von Angst vor dramatischen Verlusten bei den Kongress- und Gouverneurswahlen im November befallen.

Der Präsident steckt in der bisher schwersten Krise seiner einjährigen Amtszeit. Heute will Barack Obama deshalb seine erste förmliche »Rede zur Lage der Nation« für eine Beruhigung im Regierungslager und den Gegenangriff gegen die oppositionellen Republikaner nutzen.

Die »State of the Union address« zählt zu den wichtigsten Ansprachen des USA-Präsidenten. Sie findet einmal jährlich in gemeinsamer Sitzung beider Kammern des Kongresses – Senat und Repräsentantenhaus – statt und ist Gelegenheit, Regierungsbilanz zu ziehen und Kernvorhaben des neuen Jahres vorzustellen.

Mehrere große Fragezeichen stehen vor Obamas Rede: Was wird er zum weiteren Gang der Gesundheitsreform sagen? Wird er um ihre Verabschiedung kämpfen oder eine weitere Abschwächung wichtiger Vorhaben des Reformpakets ankündigen, in der Hoffnung, sich damit die Zustimmung einiger Republikaner im Kongress zu erkaufen? Wie sollen neue Arbeitsplätze entstehen, um der Rekordarbeitslosigkeit zu begegnen? Was fällt dem Präsidenten ein, um den Vorwurf an ihn und die Regierungspartei zu entkräften, in den jüngsten Monaten die wahren Sorgen vieler Amerikaner um Arbeitsplätze und Alterssicherung, finanzierbare Bildung und Gesundheit vernachlässigt zu haben?

Nach US-amerikanischen Medienangaben ist damit zu rechnen, dass Obama »ein Paket bescheidener Maßnahmen zur Unterstützung von Familien der Mittelschicht, einschließlich Steuererleichterungen zur Kinderbetreuung, Obergrenzen für die Zahlung einiger Studiengebühren und eine Auflage an Firmen zur Alterssicherung ihrer Beschäftigten« (»New York Times«) vorschlagen wird. Durch Konzentration auf, wie ein Mitarbeiter des Weißen Hauses es nannte, »die Sandwich Generation« – Familien, die sowohl für die Ausbildung ihrer Kinder als auch die Altersbetreuung ihrer Eltern sorgen müssen – hoffe Obama klarer als bisher zu verdeutlichen, »dass er die wirtschaftlichen Sorgen einfacher Amerikaner versteht und teilt«.

Teil der erhofften Neuerfindung des Präsidenten ist Obamas Rückgriff nach der Pleite von Massachusetts auf Schlüsselleute des Teams, das ihm den Wahlsieg im November 2008 sichern half. Der Präsident holte seinen früheren Wahlkampfmanager David Plouffe als Berater ins Weiße Haus zurück und betraute ihn mit der Aufgabe, wirksame politische Strategien für die Kongress- und Gouverneurswahlen Anfang November, nicht zuletzt neue Angriffslust und klare Botschaften zu entwickeln.

Die werden auch deshalb dringend benötigt, weil – gleich nach Massachusetts – der Oberste Gerichtshof der USA Begrenzungen für Wahlkampfspenden aufhob. Dieser Dammbruch gestattet Konzernen, künftig wieder unverblümt ganz großes Geld für politische Gefälligkeiten zu zahlen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass davon vor allem die Republikaner profitieren werden.

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