»Der Protest muss sicht- und hörbar sein«

Friedemann Bringt vom Kulturbüro Sachsen zum Aufruf für ein Dresdner Friedensgebet am 13. Februar

  • Lesedauer: 4 Min.
Teil der Proteste gegen rechtsextreme Veranstaltungen am 13. Februar in Dresden ist erstmals ein Friedensgebet. Mitorganisator ist das Kulturbüro Sachsen, das seit 2001 Politik, Verwaltungen und Vereine im Kampf gegen Rechts und für eine aktive Zivilgesellschaft berät. Mit Projektleiter Friedemann Bringt, der sich beharrlich um angemessene Formen des Gedenkens in Dresden bemüht, sprach ND-Korrespondent Hendrik Lasch.

ND: Am 13. Februar soll in Dresden ein Friedensgebet stattfinden. Was ist das Anliegen?
Bringt: Wir wollen damit gegen den europaweit größten Aufmarsch der rechtsextremen Szene, mit dem wie seit Jahren das Gedenken an die Zerstörung von Dresden vereinnahmt wird, protestieren – und zwar in Sicht- und Hörweite der Nazis. In Texten, die verlesen werden, wird der Legende entgegen getreten, mit Dresden sei eine unschuldige Kunst- und Kulturstadt getroffen worden. Die evangelische Posaunenmission und eine Band werden dafür sorgen, dass der Protest rhythmisch und laut sein wird.

Wer ruft zum Friedensgebet auf?
Es wird organisiert von der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft »Kirche für Demokratie gegen Rechtsextremismus« und der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und unterstützt von der Superintendentur Dresden-Mitte, der Amadeu Antonio Stiftung sowie dem Kulturbüro Sachsen. Den Aufruf haben evangelische, katholische und jüdische Geistliche unterzeichnet, aber auch SPD-Chef Sigmar Gabriel sowie Claudia Roth und Cem Özdemir von den Grünen.

Konkurriert das mit der von der Stadt Dresden geplanten Menschenkette?
Nein. Wir finden gut, dass dazu eingeladen wird, und führen das Friedensgebet zur Menschenkette hin. Immerhin hat die Stadt Dresden damit erstmals federführend eine Veranstaltung organisiert, die ein klares Bekenntnis gegen den rechtsextremen Aufmarsch ist. Das ist ein Fortschritt gegenüber früheren Jahren. Aber die Menschenkette bleibt außer Sicht- und Hörweite der Rechten. Das gehörte bereits nach den GehDenken-Veranstaltungen von 2009 zu den wichtigsten Kritikpunkten. Da bleibt für die Stadt noch etwas zu tun.

Die hat den Nazis zunächst verboten, eine Demonstration durchzuführen. Ist denn sicher, dass das Friedensgebet in der Nähe der erlaubten Kundgebung stattfindet?
Wir wissen nicht, wo diese abgehalten werden soll. Ich halte das für kritikwürdig. Zu vermuten ist, dass sie auf dem Postplatz oder am Zwingerteich stattfindet. Dort werden wir in der Nähe sein.

Immerhin versuchen die Ordnungsbehörden, dem Aufzug Grenzen zu setzen. Forderungen nach dem Versuch eines Aufmarschverbots verhallten ja bisher.
Wir haben nie ein Verbot gefordert. Die Versammlungsfreiheit gilt als Grundrecht auch für Rechtsextreme. Wichtig ist, dass die Bürger ihren Protest artikulieren. Dort, wo man es den Nazis ungemütlich gemacht hat, sind sie früher oder später weggeblieben, etwa in Jena und Leipzig. Wenn freilich die Nazis zum Kampf um die Straße aufrufen, muss es die Versammlungsbehörde den Bürgern ermöglichen, in Sicht- und Hörweite zu protestieren. Das hat man wohl in Dresden bislang noch nicht erkannt.

Ist die Beschränkung nicht dennoch für die Rechten ein Dämpfer?
Nein. Wenn sich in Dresden erneut ungehindert Tausende Neonazis versammeln können, wäre das ein Erfolgserlebnis, auch wenn man nicht demonstrieren kann.

Vermutet wird, dass auch Gegenveranstaltungen nur als Kundgebung genehmigt werden. Wäre das Friedensgebet betroffen?
Das wissen wir erst nach einem Gespräch mit dem Ordnungsamt und eventueller juristischer Beratung. Das Gebet ist allerdings als religiöse Veranstaltung unter freiem Himmel angemeldet, nicht als politische Veranstaltung. Als solche unterliegt es einem besonderen Schutz durch das Grundrecht.

Aufgerufen wird für den 13. Februar auch zu einer Blockade des womöglich vor Gericht doch noch durchgesetzten Aufmarsches der Nazis. Gegen den Aufruf geht die Justiz etwa mit Beschlagnahmungen von Plakaten und Flyern vor. Welches Signal geht von diesen Schritten der Staatsanwaltschaft aus?
Zunächst kann man ja fragen, ob die Staatsanwaltschaft nicht ein Eigentor geschossen hat; der Blockadeaufruf hat durch deren Vorgehen schließlich einen großen Popularitätsschub erhalten. Unabhängig davon sind die Durchsuchungen aus meiner Sicht überzogen und fragwürdig. Beim GehDenken 2009 wurde zwar eine weniger deutliche Formulierung gewählt; dort war von einem Stopp für den Rechtsextremismus die Rede.

Dennoch glaube ich nicht, dass die Vorwürfe vor Gericht Bestand hätten. Generell aber halte ich es für fatal, einen Aufruf zu friedlichem Widerstand zu kriminalisieren, während der Aufmarsch der Neonazis nicht wirklich in den Fokus genommen wird. Noch einmal: Es handelt sich um die europaweit größte Veranstaltung dieser Art. Da bedarf es jeder Form von friedlichem Bürgerwiderstand – den die Versammlungsbehörden dann auch ermöglichen müssen.

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