nd-aktuell.de / 01.02.2010 / Brandenburg / Seite 12

Alte Stars aus dem Osten

C/O Berlin zeigt ab 6. Februar Lagos-Bilder von Thomas Dworzak / Retrospektive Roger Melis ab 6. März

Tom Mustroph
Roger Melis: »Rummel«
Roger Melis: »Rummel«

Manchmal hat die Krise auch ihr Gutes. »Die Broadway-Theater in New York hatten eine ausgezeichnete Saison, weil die Menschen auch etwas anderes wollen, als immer nur Nachrichten über die Verschlechterung der Situation aufzunehmen«, sagt Stephan Erfurt mit Blick auf die USA. Eine ähnliche antizyklische Entwicklung konnte der Mitgründer des International Forums for Visual Dialogue C/O Berlin beim 10-Jahresrückblick auch für sein eigenes Haus feststellen. Das privat betriebene Fotografie-Zentrum im Postfuhramt schrieb 2008 erstmals keine roten Zahlen und konnte im letzten Jahr dank des großen Zuschauerzuspruchs zur Annie Leibovitz-Ausstellung sogar erstmals Gewinn einfahren.

Erfurt ist neben BE-Intendant Claus Peymann in Berlin der einzige, der gern mit Zahlen operiert. Doch anders als der Theatermann, der weitgehend mit öffentlichen Geldern hantiert, hat der frühere Pressefotograf Erfurt einen privaten Kredit aufgenommen, um seinen Traum vom eigenen Kulturunternehmen wahr machen zu können.

C/O Berlin ist eine einzigartige Einrichtung in der Stadt. Aus dem Kreis der Galerien in Mitte hat es sich schnell durch Rahmen sprengende Ausstellungen internationaler Stars der Dokumentar-, Presse- und Modefotografie sowie eine bemerkenswerte Nachwuchsarbeit herausgehoben. Seit 2006 bespielt die private Initiative das großflächige Areal des Postfuhramtes. Spätestens seit dieser Zeit kann sie sich auch mit den großen öffentlichen Einrichtungen wie Berlinische Galerie und Martin-Gropius-Bau messen. »Wir können schneller reagieren, weil wir nur sechs Monate vorausplanen und damit flexibler sind als die großen Häuser«, beschreibt Erfurt einen grundsätzlichen Vorteil.

Dieser Vorteil ist wiederum einem Nachteil geschuldet. Nur jeweils sechs Monate gilt der Zwischennutzungsvertrag, den C/O Berlin mit den Eigentümern, einer israelischen Investorengruppe, geschlossen hat. Fängt die an zu bauen, muss C/O Berlin raus. Allerdings hat Erfurt auch gute Hoffnung, längerfristig in dem faszinierenden Objekt zu bleiben. »Die Bauplanung sieht eine Kulturnutzung von 20 Prozent vor«, sagt er. Mit dem Architekten Ingo Pott ist zudem ein weiterer Mitbegründer von C/O Berlin an den Planungen des Investors beteiligt.

Vorerst ist an Bagger ohnehin nicht zu denken. Die Krise hat auch die Pläne der israelischen Investoren verzögert.

Erfurt greift auch deshalb zumindest mit seiner Nachwuchsplanung weiter aus. Dem Projekt »Teens«, das an die Förderprogramme der »Juniors« und »Talents« anknüpft, ist der Herbst gewidmet. Erfurt sieht in Workshops zu Fotografie und Video das rechte Mittel, sich nicht nur den Besuchern von morgen zu erschließen und über deren Eltern ein neues gegenwärtiges Publikum zu erreichen, sondern sogar die eigenen Stars aufzubauen.

Die nahe Zukunft bei C/O Berlin gehört indes den alten Stars aus dem Osten. Dem im letzten Herbst verstorbenen Roger Melis ist ab 6. März eine Retrospektive gewidmet, die neben vielen bereits bekannten Aufnahmen aus der DDR auch welche aus Polen und der Sowjetunion enthalten wird. Auch Arbeiten aus dem legendären Fotobuch »Paris zu Fuß«, das zu DDR-Zeiten die auch heute noch traumhafte Auflage von 40 000 Exemplaren hatte, werden integriert.

Im Mai schließlich ist die einst von ostdeutschen Fotografen gegründete, jetzt aber gesamtdeutsch aufgestellte Agentur Ostkreuz mit einer Gruppenausstellung zum Thema »Stadt« bei C/O Berlin präsent. 17 Fotografen der Agentur sind im Laufe der letzten zwei Jahre nach Ordos in China, ins nigerianische Lagos, nach Detroit, Minsk, Reykyavik und Florenz gereist. Sie erlauben nicht nur einen breiten Einblick in das weltweite Wachsen von Städten, sondern auch einen Vergleich der je individuellen Perspektiven auf dieses Phänomen. Bereits ab 6. Februar ist Thomas Dworzak mit Lagos-Bildern zu sehen.

C/O Berlin ist weiterer Zuspruch zu wünschen, und sei es nur deswegen, um den Mut privater Kulturunternehmer zu honorieren. C/O Berlin ist kein Ersatz für die öffentlichen Institutionen, aber doch eine beachtliche Erweiterung des Angebots.