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Mathematik für die Börse

Vor 225 Jahren wurde der Universalgelehrte Carl Friedrich Gauß geboren

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit der Einführung des Euro haben die Deutschen nicht nur ihren Glauben an stabile Preise verloren. Vorbei sind auch die Zeiten, da berühmte Frauen und Männer aus Kunst und Wissenschaft die Geldscheine zierten. So war auf dem viel benutzten Zehn-Mark-Schein das Konterfei des berühmten Mathematikers und Astronomen Carl Friedrich Gauß zu sehen, dessen Geburtstag sich am 30. April zum 225. Mal jährt. Der einzige Sohn eines Gärtners entfaltete schon in der Schule seine außergewöhnliche mathematische Begabung. Als der Lehrer, um Ruhe zu haben, im Unterricht die Zahlen von eins bis hundert addieren ließ, präsentierte der neunjährige Gauß nach einer Minute das richtige Ergebnis. Denn er hatte blitzschnell erkannt, dass sich jeweils aus zwei Zahlen am Anfang und Ende der Reihe die Zahl 101 bilden lässt: 1+100=101; 2+99=101 usw. Da es genau 50 solcher Paare gibt, lautet die Lösung 50 mal 101 gleich 5050. Mit finanzieller Unterstützung des Herzogs von Braunschweig besuchte Gauß das Gymnasium und studierte später an der Universität Göttingen. Hier erfuhr er 1801, dass Astronomen den gerade entdeckten Planetoiden Ceres wieder aus den Augen verloren hatten. Er berechnete nach einer neuen Methode die Bahn des flüchtigen Himmelskörpers und ermöglichte so dessen Wiederentdeckung. Von 1807 bis zu seinem Tod lehrte Gauß als Professor in Göttingen und leitete außerdem die Sternwarte. Er war ein vielseitiger und produktiver Forscher, dessen Name in 22 wissenschaftliche Fachausdrücke eingegangen ist. Aus seiner Feder stammen fundamentale Beiträge zur Zahlentheorie und Algebra sowie die Gesetze über die Verteilung der Wahrscheinlichkeit (Gaußsche Kurve). Gemeinsam mit dem Physiker Wilhelm Weber erforschte er den Erdmagnetismus (die magnetische Feldstärke wird mitunter noch in Gauß angegeben) und konstruierte 1833 den ersten elektromagnetischen Telegraphen. Vier Jahre später musste Weber die Universität verlassen, da er zu jenen »Göttinger Sieben« gehörte, die gegen die Aufhebung der Verfassung durch den hannoverschen König Ernst August II. protestiert hatten. Doch statt seinem Kollegen beizustehen, hüllte der stockkonservative Gauß sich in Schweigen. Das Einzige, was er vom Staat verlangte, war uneingeschränkte Forschungsfreiheit. Wie viele deutsche Gelehrte nach ihm plädierte er für die strikte Trennung von Wissenschaft und Politik. Dagegen verfolgte er regelmäßig die Börsennachrichten, um aus dem Verhalten der Kurse finanziellen Nutzen ziehen zu können. Mit Erfolg: Seine an der Börse erzielten Gewinne überstiegen sein Gehalt als Professor bei weitem. Als er am 23. Februar 1855 starb, stellten seine Erben mit Verwunderung fest, dass er 170000 Taler besessen hatte, für damalige Verhältnisse eine ungeheure Summe. Nicht immer ging der »Fürst der Mathematiker«, wie Gauß auch genannt wurde, in der Wissenschaft mutig voran. Seine Arbeiten zur nicht-euklidischen Geometrie beließ er in der Schublade, um seine Zeitgenossen nicht unnötig zu provozieren. In einem Brief äußerte er sich überzeugt, dass die Notwendigkeit der euklidischen Geometrie nicht bewiesen werden könne. 1821 vermaß er im offiziellen Auftrag das große Bergdreieck Hoher Hagen - Brocken - Inselsberg. Dass er dabei zugleich eine andere Winkelsumme als die euklidischen 180 Grad zu finden hoffte, wie häufig behauptet wird, ist weder belegt noch angesichts der vergleichsweise geringen Distanzen wahrscheinlich.
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