nd-aktuell.de / 06.02.2010 / Politik / Seite 2

Verlierer Juschtschenko bleibt nicht untätig

Heldenehrung ruft heftige Proteste hervor

Die erste Wahlrunde am 17. Januar habe einen Verfall der demokratischen Werte gezeigt, klagte Viktor Juschtschenko nach seiner Niederlage: Ganze 5,5 Prozent der Wähler wollten dem derzeitigen Präsidenten eine zweite Amtszeit zubilligen.

Die Ukrainer hätten »Brot, Speck und tauben Blüten« den Vorzug vor der Demokratie gegeben, beschwerte sich der enttäuschte Held der »Orange Revolution« – getreu dem Motto: »Wer mich nicht wählt, ist kein Demokrat.« Der »zeitweilige Verlust« könne jedoch zum Impuls für eine »Konsolidierung der nationalen Kräfte« werden, hoffte Juschtschenko und ernannte tags darauf den höchst umstrittenen Nationalisten Stepan Bandera (1909-1959) posthum zum »Helden der Ukraine«. Bandera, der im Westen des Landes als Vorkämpfer der Unabhängigkeit gilt, wird im Osten als Nazikollaborateur und Verantwortlicher für die Ermordung zehntausender Menschen verachtet.

»Volk! Wisse! Moskau, Polen, Ungarn und Juden sind deine Feinde. Vernichte sie!« – Das war eine der Losungen, unter denen Milizen, geschaffen von Banderas Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), in den 30er und 40er Jahren in der Westukraine wüteten. Deren Hoffnung, unter dem Schirm der faschistischen Wehrmacht 1941 eine unabhängige Ukraine gründen zu können, erfüllte sich jedoch nicht. Hitler hatte ganz andere Interessen und ließ Bandera bis 1944 in Sachsenhausen einsperren.

Juschtschenkos Heldenerlass rief heftige Proteste nicht nur in Russland und Polen hervor, auch jüdische Organisationen, darunter das Simon Wiesenthal Center, verurteilten die Heroisierung Banderas scharf. Was den Präsidenten nicht hinderte, wenig später einen Ukas über die »Ehrung der Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine im 20. Jahrhundert« zu unterschreiben. Als solche erkannte er Angehörige der OUN, der Ukrainischen Aufstandsarmee und anderer Organisationen, die gegen die Sowjetmacht gekämpft hatten.

Die KP der Ukraine erklärte, Juschtschenko habe durch die Rehabilitierung faschistischer Helfershelfer, Mörder und Henker den Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges »in die Seele gespuckt«. Das Volk habe ihn zwar mit Schande verjagt, doch die Gefahr der »Juschtschenkowtschina als Form des ukrainischen Neonazismus und Nationalextremismus« bleibe.

Nicht ausgeschlossen ist, dass auch Juschtschenko selbst noch einige Zeit auf seinem Posten ausharrt. Dann nämlich, wenn das Ergebnis am Sonntag sehr knapp ausfällt, worauf wieder Massenproteste inszeniert und Gerichte angerufen werden könnten, um Nachzählungen oder eine Annullierung der Wahl zu erzwingen. Der alte Präsident bliebe so lange im Amt, bis ein neuer vereidigt ist. In der Politik will Juschtschenko ohnehin bleiben, wie er bereits erklärt hat. -ries