Wird Ehrung nun zerredet?

Martina Michels

  • Lesedauer: 3 Min.
Die 47-jährige Diplomphilosophin sitzt seit 1991 für die PDS im Abgeordnetenhaus und ist dessen Vizepräsidentin.
ND: Das Vergabeverfahren zur Ehrung mit der Louise-Schroeder-Medaille soll nach dem Willen aller Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus neu gestaltet werden. Heisst das, dass es in der Vergangenheit nicht so ganz mit rechten Dingen zugegangen ist?
Das Verfahren litt in der Vergangenheit ein bisschen darunter, dass das Anliegen nicht deutlich genug in der Öffentlichkeit bekannt war. Mit einem neuen Findungsverfahren wollen wir deutlich machen, für welche Ziele Louise Schroeder eingetreten ist, nämlich für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit sowie für Gleichstellung von Mann und Frau. Der parteipolitische Streit der letzten zwei Jahre hat diesem Anliegen geschadet, daraus müssen nun alle Parteien Schlussfolgerungen ziehen, und wir müssen zu einem neuen Vergabeverfahren kommen.

ND: Wenn die Findung der zu ehrenden Person öffentlicher, transparenter werden soll, könnte es nicht dazu führen, dass jeder Vorschlag gnadenlos zerredet wird?
Nein, das heißt es nicht. Wir wollen Vorschläge nicht auf dem Jahrmarkt diskutieren. Wir stehen erst am Anfang der Überlegungen. Vorstellbar wäre ein Gremium, das Vorschläge einreicht.

ND: Wer könnte einem solchen Gremium angehören?
Es könnten Vertreter von Vereinen, Bewegungen und außerparlamentarischen Initiativen sein, die Vorschläge unterbreiten. Die Anregungen würden damit künftig nicht mehr ausschließlich aus den Fraktionen oder von Parteien gemacht werden, sondern direkt aus der Öffentlichkeit kommen.

ND: An welche gesellschaftlich relevanten Gruppen ist gedacht? Wird es nicht auch Streit bei den Organisationen geben: Warum sind die drin und wir nicht?
Wir sind momentan noch am Überlegen, wie man das konkret gestaltet. Man könnte Initiativen bitten, Vertreter in ein Kuratorium zu entsenden. Eine weitere Möglichkeit wäre, beginnend in diesem Jahr, ein Symposium über das Wirken von Louise Schroeder zu veranstalten, auf dem dann ein Vorschlag geboren wird. Aber über die Frage, wen spricht man da an, ist konkret noch nicht diskutiert worden. Es muss in den nächsten Wochen konkretisiert und untersetzt werden.

ND: Führt das nicht doch wieder zu parteipolitischen Querelen, denn jede Partei wird darauf bedacht sein, dass eine Seite nicht überrepräsentiert ist?
Das ist momentan der Punkt, über den in der Findungskommission diskutiert wird. Wir wollen ein außerparlamentarisches Mitspracherecht und wir wollen Konsens der Parteien im Abgeordnetenhaus erreichen. Damit werden wir dem Anliegen von Louise Schroeder am ehesten gerecht.

ND: Wenn am Ende doch wieder ein parlamentarisches Gremium entscheidet - das Präsidium des Abgeordnetenhauses - warum lässt man nicht alles beim Alten und verzichtet auf den Zeit raubenden und Kosten verursachenden Umweg?
Den Findungsprozess demokratischer zu gestalten, ist schon mit mehr Aufwand verbunden. Doch die Entscheidung über die Vergabe der Medaille sollte in Verantwortung des Parlaments und des Regierenden Bürgermeisters bleiben. Das unterstreicht den hohen Rang, den diese Ehrung einnimmt. Und dabei soll es auch bleiben.

Fragen: Peter Kirschey
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