Gesteigerter Bedarf an Teufelsaustreibern

Polens Kirche sieht zu viel Böses in der Welt

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Polens elektronische Medien schlugen in den letzten Tagen Alarm: Immer mehr Menschen sind vom Teufel besessen!

Der Warnruf bezog sich diesmal nicht direkt auf die Politiker. Die bieten dem »live« anwesenden Fernsehpublikum in vier »außerordentlichen Untersuchungsausschüssen« des Parlaments eine sogar für polnische Verhältnisse seltsame Schau unter dem Titel »Nichts als die Wahrheit«, womit sie das Offenliegende allerdings völlig verdunkeln. Was eigentlich jedermann klar ist, nämlich der Machtkampf vor den diesjährigen Wahlen, wird da als »patriotische Sorge um das liebe Vaterland« gepriesen.

Nein, diesmal handelt es sich beim bewussten Alarmruf der Medien tatsächlich um den Leibhaftigen, der das brave katholische Volk zu verderben sucht. Aus dem etwa 40 Kilometer von Warschau entfernt gelegenen Franziskanerkloster Niepokalanów informierte Pater Marek Wódka darüber, dass erstmals vertrauenswürdige Journalisten aus den Religionsressorts elektronischer und gedruckter Medien zur halbjährlich stattfindenden Exorzistenkonferenz an einen diesmal nicht geheim gehaltenen Ort eingeladen wurden. In einer Presserunde seien sie am vergangenen Freitag über den Verlauf der Beratungen der »Teufelsaustreiber« informiert worden. Der von der polnischen Bischofskonferenz benannte Koordinator der Exorzisten, Pfarrer Marian Piatkowski, gab der Runde bekannt, dass die mehr als 80 in den 48 Diözesen zum »besonders wertvollen Dienst an der Kirche« berufenen Geistlichen bereits zum 22. Mal über die »Vertiefung des Wissens von den Dämonen« berieten.

Pfarrer Andrzej Grefkowicz stellte fest: »Der Grundfehler unserer Zeit besteht in der Nichtwahrnehmung der Existenz des Bösen.« Damit kann man durchaus übereinstimmen. Die Frage bleibt jedoch: Nimmt das Böse tatsächlich eine personifizierte Gestalt an?

Die Exorzisten sind da absolut sicher und wollen dem immer lauter werdenden Verlangen der Gottgläubigen nachkommen, das Böse wirksam zu bekämpfen. Es lockt, quält und macht schließlich besessen. Die Konferenzteilnehmer gaben zu, dass sich die Beherrschung durch den Teufel faktisch so äußern könne, wie es in zahlreichen Filmen dargestellt wird. Es könne aber auch anders, milder aussehen. Wie – das erfährt unsereiner auf der Webseite egzorcysta.org. Da ist zu lesen, dass es mit Depressionen und Hoffnungslosigkeit beginnt oder aber mit anhaltenden Bauch-, Rücken und Halsschmerzen. Die Römisch-katholische Kirche brauche dringend neue »qualifizierte Kräfte«, um der Nachfrage der Kirchengemeinden nachzukommen. Derzeit werden deswegen in Polen weitere Exorzisten ausgebildet – so wie es Papst Benedikt will, der weltweit einen Bedarf an 3000 neuen »besonders wertvollen Dienern an der Kirche« sieht. Man ist versucht zu fragen, ob das angesichts des wirklichen Bösen in der Welt ausreicht?

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