Berlin – Ecke Schönhauser

  • Charlotte Noblet
  • Lesedauer: 3 Min.
Damit ist die Berlinale großzügig: alte Filme zu zeigen. Früh morgens war das Kino Babylon voll für die DEFA-Erfolgsstory „Berlin – Ecke Schönhauser".
Berlin – Ecke Schönhauser
Berlin – Ecke Schönhauser

Die erste Szene zeigt die U-Bahn-Brücke an der Eberwalderstraße mit einem Plakat von damals, „Neues Deutschland, die führende Zeitung“. Wir sind im Prenzlauer Berg der 50er Jahre und begleiten den Alltag der Jugendlichen aus dem Kiez.

Vieles wird angedeutet: die Vaterlosigkeit nach dem Krieg, die Neugier nach West-Berlin, die Arbeit in der DDR sowie der Rock’n Roll im Prater-Biergarten. „Es ist interessant, wie ausgedachte Geschichten mit der Zeit als Dokumentation betrachtet werden“, sagt mit einem Augenzwinkern der Autor Wolfgang Kohlhaase nach der Projektion.

Viele Fragen hatte das Publikum über die Zensur in der DDR-Zeit: „Es gab kein Amt, keine Behörde dafür. Die Zensur war eine dauernde Bedenklichkeit“, erzählt Wolfgang Kohlhaase. Ich war über diese Fragen sehr erstaunt, da für mich der Film „DDR-freundlich“ war. Der Westen war nicht ausgeblendet und die DDR rosarot gemalt, im Gegenteil. Aber der Junge, der seine Zukunft im Westen sah und immer mehr mit West-Marken handelte, ist schon zum Kleinkriminellen geworden. Der Andere, der Fan von westlichen Kinoproduktionen war, wurde zum Opfer eines westlichen Filmtricks, und der Hauptdarsteller, der per Solidarität mit seinem Kumpel die DDR – und seine Liebhaberin – verlässt, bekommt seinerseits Heimweh in dem Aufnahme-Camp von West-Berlin. Insofern sah ich keinen Grund, über Zensur zu sprechen.

Interessant waren die Bemerkungen über die Rolle des Volkspolizisten, der im Film sehr präsent die Jugendlichen wie ein Vater oder sogar ein großer Versöhner begleitet. „Die VoPos waren aber ganz anders!“ sagt ein Mann im Saal. „Der Polizist wird wie ein Modell, ein Übervater gezeigt, das stimmt“, antwortet der Autor Wolfgang Kohlhaase. „Die VoPos waren damals gut über die Realität informiert, sie wussten viel von der Lebenslage“.

Auf alle Fälle waren diese schönen Stunden im Babylon bestimmt wie bei der Berlinale in den 70er Jahren: eine offene Tür nach Osten. Nur diesmal wird der DEFA-Film in Ost-Berlin gezeigt – und anscheinend sogar vor vielen Ex-DDR-Bürger/innen.

Sektion Generation: Programm

Mehr über den Film: Katalog

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