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Wiederverstaatlichung in Hessen

Öffentliche Straßenmeisterei ist qualitativ besser und billiger als ein Privatbetrieb

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Land Hessen verwirft ein Thüringer Privatisierungsmodell, da die landeseigenen Straßenmeistereien kostengünstiger arbeiten.

»Hessen lässt Versuch mit privater Straßenmeisterei auslaufen«, verkündete dieser Tage die Pressestelle des FDP-geführten hessischen Wirtschaftsministeriums eine für hessische Begriffe nicht alltägliche Kurskorrektur in Sachen Privatisierung: »Hessens einzige private Straßenmeisterei in Groß-Umstadt (Landkreis Darmstadt-Dieburg) wird wieder reguläre Behörde.«

Wie Wirtschaftsminister Dieter Posch weiter mitteilte, soll der im Sommer 2007 begonnene Modellversuch zur Privatisierung des Betriebs Ende September 2010 planmäßig auslaufen. Der Versuch sei »ergebnisoffen angelegt« gewesen und sollte »Aufschluss darüber geben, ob die Übertragung an private Auftragnehmer auf diesem Gebiet Vorteile bringt«, so Posch. Dabei hätten sich die in der Landesverwaltung verbliebenen Referenz-Straßenmeistereien in Friedberg und Hofheim »im Vergleich als kostengünstiger und besser erwiesen«, so der Liberale. Nun herrsche Klarheit und sei »die Beendigung des Versuchs folgerichtig«, stellte der Minister fest. Ende Januar hatte sich ein Kabinettsausschuss den Empfehlungen des Lenkungsausschusses im Wirtschaftsministerium angeschlossen und somit den Weg für die Wiederverstaatlichung geebnet. Die verzögerte Bekanntgabe deutet allerdings darauf hin, dass sich nicht alle neoliberalen Hardliner im Umfeld von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) damit anfreunden konnten, zumal Koch auf gewerkschaftliche Forderungen nach einer Landesbeteiligung etwa am angeschlagenen Opel-Konzern stets mit seinem Credo geantwortet hatte: »Der Staat ist ein schlechter Unternehmer.«

Die Straßenmeisterei Groß-Umstadt ist für ein Netz von rund 350 Kilometer Straßen sowie Parkplätze und Radwege im südöstlichen Hessen zuständig und besorgt Grünpflege, Reinigung, Winterdienst und Instandhaltung. 2007 hatte die Thüringer Straßenwartungs- und Instandhaltungsgesellschaft mbH (TSI) den Betrieb übernommen. Die TSI war aus der in den 1990er Jahren eingeleiteten Privatisierung der Thüringen Straßenmeistereien entstanden und kommt im Freistaat in 16 von 17 Landkreisen zum Zuge. Sie gehört seit 2002 dem Baukonzern Strabag und dem Bauunternehmen Bickhardt. Strabag sieht sich als »Marktführer im deutschen Verkehrswegebau« und ist nach Medienberichten über seine Tochter Züblin auch am Bau der Kölner U-Bahn beteiligt, der jüngst in die Schlagzeilen gekommen ist.

Vor dem Verkauf der Straßenmeistereien hatte das Land Thüringen hier rund 300 Arbeitsplätze gestrichen. »Das mit der Privatisierung des Straßenbetriebsdienstes verfolgte Ziel einer nachhaltigen Kostensenkung wurde bisher verfehlt«, beanstandet allerdings der Thüringer Landesrechnungshof. Die Ausgaben für den Winterdienst auf den Landesstraßen hätten sich seit der Winterperiode 2001/2002 mehr als verdoppelt.

Ähnliche Erfahrungen mit der TSI machten nun auch die Hessen. Auch wenn Minister Posch keine konkreten Zahlen nannte, gehen Insider davon aus, dass unter TSI-Regie die Kosten in Groß-Umstadt um 30 bis 40 Prozent höher gelegen haben als bei den öffentlichen Referenzmeistereien in Friedberg und Hofheim.

»Öffentlich ist wesentlich – qualitativ besser und auch kostengünstiger«, bilanziert die Gewerkschaft ver.di in Hessen das Ergebnis des Groß-Umstädter Modellversuchs: »Wir können es besser!« Die Gewerkschaft sieht sich damit in ihrem Engagement gegen Privatisierungen bestätigt: »Staatliche Dienstleistungen überzeugen durch Qualität, sind sogar kostengünstiger und brauchen keinen Vergleich mit der Wirtschaft scheuen.«

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