Fahrschulen ohne Schüler

Noch eine Folge des Geburtenknicks im Osten

  • Katharina Thormann, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
2009 waren bereits 451 der 1187 Fahrlehrer in Sachsen-Anhalt ohne Beschäftigung. Und das, obwohl die Zahl der Fahrschulen in den letzten drei Jahren um knapp 50 zurückging.

Magdeburg. Bei den Lüdickes aus Wahrenberg (Landkreis Stendal) ist es eine jahrzehntelange Familientradition, Menschen das Fahren beizubringen. Seit 1961 betreiben sie eine Fahrschule. Jetzt steht ihr Betrieb wie viele andere Fahrschulen in Sachsen-Anhalt vor einer ungewissen Zukunft. »Das hängt mit dem Geburtenknick nach der Wende zusammen. Die Anmeldungen zum Führerschein sind zu gering«, sagt Jörg Lüdicke, der die Firma von seinem Vater übernommen hat. Erschwerend hinzu kommt die Wirtschaftskrise. »Die finanzielle Lage ist für viele Familien schwierig geworden. Sie können sich die Ausbildung teilweise nicht mehr leisten«, sagt der Fahrlehrer.

Faktor Abwanderung

Im Vergleich zu 2000 sei die Nachfrage an seinen beiden Standorten Seehausen und Osterburg um zwei Drittel gesunken, schätzt der 46-Jährige. Der Auftragslage geschuldet, kann Lüdicke seinen Sohn – ebenfalls ausgebildeter Fahrlehrer – nur stundenweise beschäftigen. Nach Angaben des Landesverwaltungsamtes ist das kein Einzelfall. »Es gibt hier im Land ein Überangebot an Fahrschulen«, bestätigt der Vorsitzende des Fahrerlehrerverbandes, Wolfgang Prescher. Er befürchtet, dass auch von den derzeit 508 Fahrschulen noch einige auf der Strecke bleiben. Denn zum Geburtenrückgang kommt die Abwanderung junger Menschen in die alten Bundesländer. »Dort wo sie hinziehen, absolvieren sie auch ihre Fahrschule«, sagt Prescher. Den Führerschein mit 17 sieht er darum als Chance, zumindest die Abiturienten, die bis zu ihrem Schulabschluss im Land bleiben, auszubilden.

»Die Konkurrenz untereinander ist durch diese vielseitigen Probleme so groß, dass einige Fahrschulen dazu neigen, den Wettbewerb ruinös mit billigen Angeboten anzutreiben«, erläutert Prescher.

Senioren neu entdeckt

»Sicherlich war der Bedarf nach Führerscheinen nach der Wende groß. Mit dem jetzt eingetretenen Niveau können kleine Fahrschulen aber leben«, findet dagegen Fahrlehrer Thomas Dornfeld aus Halle. Um das Überleben seines eigenen Betriebs zu sichern, hat er »weitere Tätigkeitsfelder erschlossen«, die er aber nicht näher bezeichnen will. Andere Fahrschulen taten es Dornfeld gleich.

»Beispielsweise konzentrieren sich einige vermehrt auf ältere aktive Kraftfahrer«, sagt Prescher. Ihnen wird in Schulungen neue Fahrzeugtechnik erläutert. Auch die Weiterbildung von Zivildienstleistenden gewinnt an Bedeutung: Sie werden speziell für die Beförderung behinderter Menschen fortgebildet. Dennoch rechnet der Verbandschef nicht mit einem Aufwärtstrend in der Branche: »Wir leben vom Nachwuchs. Wenn dessen Zahl weiter sinkt, sieht die Zukunft nicht rosig aus.«

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