Wo Literatur zu einem Erlebnis wird

Buchmessedirektor Oliver Zille: »Wir sind sogar Europas größtes Lesefest«

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 4 Min.

Rund 2100 Aussteller aus 38 Ländern – so viel wie im vorigen Jahr, und auch die Ausstellungsfläche ist gleich geblieben. 65 000 Quadratmeter. Wie viele Kilometer läuft man da am Tag, wenn man auch nur einen Teil der deutschen Verlage besuchen will? Aber wer als Besucher zur Messe kommt, kann es sich auch in der Glashalle bequem machen, wo von morgens bis abends etwas los ist. Zum Beispiel werden sich dort am Donnerstag die Nominierten für den Preis der Leipziger Buchmesse in den Sparten Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung vorstellen. In jeder Halle gibt es auch mehrere Bühnen, Lesecafés, Foren, wo den ganzen Tag über ein abwechslungsreiches Programm geboten wird.

Und bis Mitternacht dann geht es weiter an verschiedenen Veranstaltungsorten in Leipzig – nicht nur den großen, bekannten wie Moritzbastei oder Altes Rathaus. Es scheint, als ob an diesen Tagen keine Kleinbühne, kein Club, kein Café von Literatur unberührt sei. Bis in die Agentur für Arbeit, den Zoo, das Stadtbad, ja sogar die Freimaurerloge Apollo schwappt das Messeprogramm über.

2000 Veranstaltungen (100 mehr als im vorigen Jahr) mit 1500 Buchautoren: darunter die zwei Literatur-Nobelpreisträger Herta Müller und Günter Grass, Volker Braun, Christoph Hein, Alexander Osang und Martin Walser. Aus Nicaragua reist Ernesto Cardenal an, aus der Schweiz Martin Suter, aus Spanien Javier Tomeo. Aber auch wenn sich die Messe gern mit Prominenz schmückt, bei vielen Lesungen dürfen sich auch noch weniger bekannte Autoren präsentieren. Und wenn jemand glaubt, die säßen dann vor leeren Stuhlreihen, der irrt. Obwohl man es sich kaum vorstellen kann: 774 Veranstaltungen allein am Donnerstag: Wo nimmt man das entsprechende Publikum dafür her? Aber es gelingt jedes Jahr immer wieder.

»Leipzig liest«: der Slogan stimmt. »In dieser Kompaktheit gibt es in Deutschland kein anderes Literaturfest«, so Buchmessedirektor Oliver Zille. »Wir sind sogar Europas größtes Lesefest.« Vor allem aus ihrer Nähe zum Publikum bezieht die Leipziger Buchmesse ja ihre Daseinsberechtigung, denn die großen internationalen Geschäfte werden nun mal im Herbst in Frankfurt am Main getätigt, wo nicht nur die Zahl der Aussteller, sondern bei vielen Editionshäusern auch der Messestand größer ist.

Dagegen hört man von Verlagsleuten in Leipzig oft, dass es hier »weniger stressig« sei. Was nicht bestätigen kann, wer Samstag und Sonntag, den Publikumstagen, von einer Halle zur anderen will und in den verglasten Gängen dazwischen überhaupt nicht mehr weiterkommt. Wenigstens kann man durch das Glas nach draußen sehen, wo Ende der Woche wohl nun wirklich, endlich der Frühling beginnt. Frische Luft, Sonne, im Liegestuhl liegen mit einem Buch ...

Buchmesse und Lesen – das hängt wohl miteinander zusammen – und ist doch zweierlei. Das eine ein Massenerlebnis, das andere eine besonders schöne Form von Zurückgezogenheit. Das Schöne an der Leipziger Buchmesse: dass sich jeder nach seinem Geschmack etwas aussuchen kann. Wer nicht mit den Augen lesen will, kann es im Hörbuchbereich mit den Ohren tun, wer von den vielen Kindern, die kommen, mit Büchern nichts am Hut hat, geht zum Comic-Treff und kann sich, fantasievoll kostümiert, mehr wie beim Fasching als auf einer Buchmesse fühlen.

Es gibt den anspruchsvollen Messeschwerpunkt »Junge deutsche Literatur« und einen Osteuropa-Campus, wo erstmals Bosnien-Herzegowina zu Gast ist, aber Ernsthaftigkeit wird niemandem aufgedrängt. Man kann Musik hören, Kaffee trinken, Autogramme und Prospekte sammeln, sogar lesen, wenn man es bei dem allgemeinen Gewusel kann (Sessel dafür stehen bereit). Über 100 000 Besucher würden erwartet, sagen die Gastgeber, um sich bei Messeschluss vielleicht sogar korrigieren zu können. Dass es 150 000 würden, wäre kein Wunder. Rekorde müssen sein.

Zahlen und Fakten

Veranstalter: Leipziger Messe GmbH, Messe-Allee 1,04356 Leipzig

Ideeller Träger: Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.

Öffnungszeiten: 18. bis 21. März von 10-18 Uhr

Ort: Messegelände Leipzig, Hallen 2 bis 5, Glashalle, Congress Center

Fläche: 65 000 Quadratmeter

Sachgebiete: Belletristik und Sachbuch, Hörbuch, Kinder- und Jugendbuch, Comic und Cartoon, Schulbuch und Bildungsmedien, Fachbuch und Wissenschaft, Reise, Zeitungen und Zeitschriften, Fernseh- und Rundfunkanstalten, Kunstbuch, Religion, Buchkunst (buch+art), Dienstleister der Buchbranche, Internationaler Bereich

Buchverkauf: In denMessebuchhandlungen, teilweisebei Veranstaltungen und amSonntag ab 15 Uhr auch direktbei den Ausstellern

Preisverleihungen: Preis der Leipziger Buchmesse in den Kategorien Belletristik, Übersetzung und Sachbuch Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung Kurt-Wolff-Preis BuchMarkt-AwardKinderbuchhandlungspreis Preisverleihung Manga-Talente Preisverleihung der »Goldenen Letter« für die schönsten Bücher der Welt

Eintritt:
Tageskarte 11,50 ?,erm. 9 €
Nachmittagskarte ab 15 Uhr 6 €
Dauerkarte 24 €
Fachbesucher Tageskarte 9 €
Dauerkarte Fachbesucher 17 €
Kinder bis 5 Jahre freiKatalog 12 €

Besucher-Hotline:(0341) 678 8997

Internet: www. leipziger-buchmesse.de
www. leipzig-liest.de

ND-Stand:Halle 5, B 401

Siehe auch: Dossier Literaturbeilage Buchmesse Leipzig
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