Geheimniskrämer an die Börse?

Rohstoffhändler Glencore krankt an den Folgen der Wirtschaftskrise

  • Gabriel Rath, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Nachfrage nach Rohstoffen und folglich auch deren Preise sind durch die Krise eingebrochen. Auch Großhändler spüren dies.

Um den geheimnisumwitterten Rohstoffhändler Glencore ranken sich erneut Gerüchte eines Börsengangs. Anlass ist der Rückkauf der kolumbianischen Kohlemine Prodeco vom Bergbaukonzern Xstrata für bis zu 2,5 Milliarden Dollar. Analysten in London sind der Meinung, dass sich Glencore damit vor allem für einen Börsengang attraktiv machen wolle. Der Wert der Mine wird auf bis zu fünf Milliarden Dollar geschätzt.

Um an die Börse gehen zu können, müsste Glencore aber seine bisherige Geheimhaltungspolitik aufgeben. Das vom US-Finanzier Marc Rich gegründete und im Schweizer Kanton Zug ansässige Unternehmen beschäftigt im Handel rund 2000 Mitarbeiter; in den Industriebeteiligungen sind weitere 50 000 Menschen weltweit beschäftigt. Nach einem Medienbericht sind die Firmeninhaber hoch verschuldet, seit sie anderen Partnern vor einigen Jahren deren Anteile abkauften, und benötigen dringend neue Geldmittel.

Akut wurde das Problem durch die globale Wirtschaftskrise. Wegen der geringeren Nachfrage und sinkender Rohstoffpreise brach der Umsatz 2009 um 30 Prozent ein, der Gewinn sank um 43,8 Prozent auf 2,72 Milliarden Dollar. Laut der Nachrichtenagentur »Bloomberg« hat der Konzern daher Einsparungen und Lohnsenkungen vorgenommen. Außerdem sah sich Glencore zu Jahresende zu dem ungewöhnlichen Schritt gezwungen, eine Wandelanleihe von 2,2 Milliarden Dollar zu begeben, die besonders unter US-amerikanischen Private-Equity-Fonds großes Interesse fand. Es war das erste Mal in der Firmengeschichte, dass Glencore Mittel bei Investoren aufnehmen musste, die ihre Kapitalspritze in eine Beteiligung umwandeln können. Womöglich sind es vor allem die Anleihenbesitzer, die jetzt auf einen Börsengang drängen. Dank der Mittel hat Glencore nun keine Schwierigkeiten, die Prodeco-Mine nach knapp einem Jahr von Xstrata zurückzukaufen. Glencore ist selbst mit rund 35 Prozent größter Aktionär des schweizerisch-britischen Bergbaugiganten.

In Londoner Analystenkreisen wird aber auch über einen Zusammenschluss von Glencore und Xstrata spekuliert. Damit könnte ein schlagkräftiger Konkurrent zu den Branchenführern BHP Billiton und Rio Tinto geschaffen werden. Die Xstrata-Führung gab den Vermutungen weiteren Auftrieb, als sie erklärte, mit einem Zusammenschluss »könnten neuen Werte geschaffen werden«.

Analyst Dominic O´Kane von der Finanzfirma Liberum Capital rät aber eher zu einem Börsengang von Glencore, damit »sich der Markt ein wahres Bild der Guthaben des Unternehmens und seines Wertes machen« könne. In der Wandelanleihe war der Wert von Glencore mit 37,5 Milliarden Dollar beziffert worden. Als besonders lukrativ bewertet Liberum Capital die Anteile an den russischen Konzernen Rusal und Katanga. 1974 gegründet, beliefert Glencore die Industrie mit Metallen, Rohöl, Ölprodukten, Kohle und landwirtschaftlichen Produkten. Glencore unterhält eine Flotte von 100 Containerschiffen und 50 Öllager weltweit. Globalisierungskritiker werfen dem Unternehmen vor, in kolumbianischen Minen skrupellos gegen die Belegschaft vorzugehen, die sich zu organisieren versuche.


Lexikon

Eine Wandelanleihe ist eine von einem Unternehmen ausgegebene Anleihe mit einem relativ niedrigen Festzins, die nach einer bestimmten Frist zu einem vorher festgelegten Verhältnis in Aktien des Unternehmens umgetauscht werden können. Vorteil für das Unternehmen ist, dass es zu relativ günstigen Konditionen zu einem Kredit kommt und dieser ggf. nicht mit Geld getilgt werden muss. Der Käufer einer Wandelanleihe hat wiederum die Chance, zu relativ günstigen Konditionen an Anteile an dem Unternehmen zu kommen. ND

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