Medienskandal in Österreich

ORF-begleitete Skinheads provozierten rechtspopulistischen Parteichef Strache

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 4 Min.
Schon vor ihrer Ausstrahlung sorgte eine Reportage des staatlichen österreichischen Fernsehens ORF für Aufregung. Zwei Neonazis sollen von einem ORF-Redakteur dazu angehalten worden sein, während einer Wahlveranstaltung der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) »Sieg Heil« zu rufen. In der Sendung selbst war davon nichts zu sehen. Der Manipulationsvorwurf schwebt im Raum.

Mehrere Wochen lang hat Redakteur Eduard Moschitz die beiden jungen Wiener Skinheads Philipp und Kevin mit der Kamera begleitet. Herausgekommen sind 16 Stunden Filmmaterial, die auf 30 Minuten zusammengeschnitten wurden. Die ganze Machart der als »Milieustudie« beworbenen Sendung hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Der 19-jährige Philipp ist arbeitslos und wohnt bei seiner Mutter in ärmlichsten Verhältnissen: kein Gas, kein warmes Wasser, manchmal nichts zu essen. Jeden Morgen, so klagt die Mutter, grüße ihr Sohn mit dem Hitlergruß, meine es aber nicht so schlimm. Philipps Zimmer hängt voll neonazistischer Devotionalien, Hakenkreuzposter eingeschlossen. Mit seinem Freund Kevin schlägt er fallweise auf Ausländer ein und steht vor Gericht, weil ihm der Staatsanwalt vorwirft, reihenweise Pkw beschädigt zu haben. Der ORF ergötzt sich am sozialen Elend wie an der politischen Radikalität der Glatzköpfe und macht daraus eine – laut Eigenwerbung – »einfühlsame Reportage«.

Von dem Fernsehteam begleitet, besuchen die beiden »Helden« auch eine Wahlveranstaltung der Freiheitlichen Partei in Wiener Neustadt, bei der Heinz-Christian Strache, der rechtspopulistische »Bundesparteiobmann« der FPÖ, auftritt. Straches Partei, die bei den Nationalratswahlen 2008 mit 17,5 Prozent der Stimmen zur drittstärksten Kraft Österreichs wurde, warb in der Vergangenheit mit Wahlparolen wie »Wien darf nicht Istanbul werden« und »Daham statt Islam!«. Ihr Chef will jedoch nicht in die rechtsextreme Ecke gestellt werden. Er behauptet sogar, in der FPÖ sei kein Platz für Neonazis. Dennoch darf ihm laut Gerichtsbeschluss eine »Nähe« zu nationalsozialistischem beziehungsweise rechtsextremistischem Gedankengut zugeschrieben werden.

Auf bewusster Wahlveranstaltung in Wiener Neustadt soll es jedenfalls zu der mittlerweile in ganz Österreich heiß diskutierten Provokation gekommen sein. Kevin und Philipp haben Strache in der Reportage zuvor als »zu weich« tituliert: »Uns ist die NPD lieber.« Schließlich ruft Kevin laut eigener Aussage »Sieg Heil!«. In der gesendeten Dokumentation ist nur zu sehen, wie sich Strache an die Polizei wendet, um die Provokateure, die »Neonaziparolen gerufen haben«, dingfest zu machen. Von dem unsäglichen Ruf ist nichts zu hören. Strache behauptet, dass Szenen herausgeschnitten und manipuliert worden seien.

Die polizeiliche Einvernahme der beiden Skinheads ist da klarer. Demnach war es der ORF-Redakteur, der die beiden aufgefordert haben soll, »ihre Meinung zu sagen – alles was ihr ihm (Strache) schon immer sagen wolltet«.

Ein dritter Einvernommener wird deutlicher: »Gegen 18 Uhr traf Strache ein«, gibt er zu Protokoll, »Zu Kevin sagte Ed (Redakteur Moschitz): ›Sag Sieg Heil zu ihm‹. Kevin schaute zuerst ungläubig, wiederholte leise ›Sieg Heil‹. Als Strache dann da war, sagte Kevin ›Sieg Heil‹.« Kevin selbst bestätigt den Vorgang und den wiederholten Sager.

Die beiden Skins behaupten auch, dass sie für die Dreharbeiten 700 bezeihungweise 800 Euro erhalten hätten. 130 Euro zusätzlich soll es für das »Sieg Heil« gegeben haben, merkt Kevin in der polizeilichen Aussage an.

Publik dürften die Polizeiprotokolle übrigens dadurch geworden sein, dass sich Strache als Privatbetroffener an der Anklage wegen Wiederbetätigung beteiligt. In der »Club-2«-Diskussion, die sich der ORF-Reportage anschloss, sprach Chefredakteur Johannes Fischer von 100 Euro pro Person, die der ORF für die Abtretung der Rechte bezahlt hätte. Von mehr will er nichts wissen. Auch davon nicht, dass – laut Aussage der Skins – Redakteur Moschitz den beiden »rechte Sachen« in einem einschlägigen Neonazishop gekauft haben soll.

Der Staatsanwalt forderte kurz vor der Ausstrahlung der Reportage die Herausgabe des gesamten Filmmaterials, was der ORF unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis ablehnte. Der Streit darüber wird in den kommenden Wochen politisch ausgetragen werden.

War es tatsächlich eine vom staatlichen Fernsehsender oder seinem Redakteur gegen Bezahlung in Auftrag gegebene neonazistische Wiederbetätigung? Vieles spricht dafür. Und wer weiß, wie stark beispielsweise der deutsche Verfassungsschutz im rechtsradikalen Milieu mitmischt, der kann sich durchaus vorstellen, dass eine ähnliche »Begleitung« auch durch Medien erfolgt. Die Debatte rankt sich derzeit um den »Sieg Heil«-Ruf, doch die ganze Reportage verzichtet auf jede Distanz zum rechtsradikalen Gedankengut. Da werden einfach zwei Skinheads dazu benutzt, um dem Sender eine skandalträchtige und billige Geschichte zu liefern.

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