Flüchtlingskinder ohne Rechte?

Nach 18 Jahren könnte Vorbehalt zur UN-Kinderrechtskonvention fallen

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Flüchtlingskinder ohne Rechte?

ND: Am 5. April 1992 wurde die UNO-Kinderrechtskonvention (KRK) von Deutschland ratifiziert. Ein gleichzeitig eingelegter Vorbehalt verhindert, dass die Konvention hier auch auf asyl- und ausländerrechtliche Sachverhalte angewandt wird. Der Bundesrat hat die Bundesregierung jetzt aufgefordert, die Vorbehalte zur KRK zurückzunehmen – überrascht?
Pelzer: Das ist lange überfällig gewesen. Auf Antrag von Rheinland-Pfalz hat die Länderkammer jetzt endlich einen entsprechenden Beschluss gefasst. Bislang haben die Bundesregierungen die Rücknahme des Vorbehalts abgelehnt, weil sich die Länder dagegen sträubten. Ohne deren Zustimmung sei eine Rücknahme nicht möglich. Jetzt hat sich die Position der Bundesländer offenbar verändert.

War es nicht auch eine schwarz-gelbe Koalition, die den Vorbehalt 1992 erst eingebracht hat. Was hat sich geändert?
Der Vorbehalt besagt zunächst einmal, dass die Rechte, die die UN-Kinderrechtskonvention garantiert, nicht für Kinder gelten, die dem Ausländer- und Asylrecht unterworfen sind. Daraus entsteht eine Schlechterstellung der Kinder mit Flüchtlings- oder mit Migrationshintergrund. Menschenrechtsorganisationen und Politiker haben das über Jahre hinweg problematisiert und kritisiert. Jetzt hoffen wir, dass sich dieser unhaltbare Zustand endlich ändern wird.

Haben Sie denn Grund, zu glauben, dass die Bundesregierung dem Antrag folgen wird?
Zumindest steht im Koalitionsvertrag, dass der Vorbehalt zur Kinderrechtskonvention zurückgenommen werden soll. Ich möchte natürlich nicht meine Hand dafür ins Feuer legen. Aber die Länder immerhin haben ihren Widerstand aufgegeben. Jetzt sehen wir die Bundesregierung in der Pflicht, die Rücknahme des Vorbehalts tatsächlich umzusetzen.

Was würde sich für die betroffenen Kinder ändern?
Wir sind der Ansicht, dass das Kindeswohl von Flüchtlingskindern im Vordergrund stehen muss. Das heißt für uns, dass beispielsweise die Abschiebungshaft bei Flüchtlingskindern unterbleibt. Kinder gehören nicht in Haft.

Es gibt die Besonderheit im Asylverfahren und im Ausländerrecht, dass Minderjährige ab 16 im Verfahren wie Volljährige behandelt werden. Auch das muss beendet werden. Problematisch ist weiter, dass Flüchtlingskindern im Asylverfahren oft ein höheres Alter angedichtet wird. Ihnen wird unterstellt, dass sie volljährig sind, obwohl sie noch minderjährig sind. Diese Altersfeststellung, zum Beispiels durch Zwangsröntgen, geht oft willkürlich vonstatten. Damit werden die Rechte von Minderjährigen verletzt.

Weiter fordern wir, dass nach dem jüngsten Hartz-IV-Urteil auch die Sozialleistungen für Flüchtlingskinder angepasst werden.

Wie lange wird es dauern, bis die Rücknahme der Vorbehalte durchgesetzt ist?
Wann die Vorbehalte tatsächlich zurückgenommen werden, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass aus der Rücknahme auch spürbare Verbesserungen für die Flüchtlingskinder folgen müssen. Die Bundesregierung muss Themen wie die Abschiebungshaft für Minderjährige oder Familientrennung bei Abschiebungen angehen. Es finden gerade viele Abschiebungen von Roma nach Kosovo statt und auch dabei werden wieder Familien getrennt. Da sehen wir nach wie vor die alte Gesinnung der Bundesregierung, die auf Abschreckung getrimmt ist. Hier bedarf es weiterhin großen Drucks aus der Zivilgesellschaft.

Fragen: Antje Stiebitz

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