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Zurück aus dem Schmollwinkel

Türkei beendet ihren diplomatischen Boykott der USA

  • Jan Keetman, Istanbul
  • Lesedauer: 3 Min.
Der außenpolitische Ausschuss des Repräsentantenhauses der USA hatte im März eine Resolution zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich während des ersten Weltkrieges verabschiedet. Die türkische Regierung erklärte daraufhin demonstrativ, offizielle Kontakte zu den USA bis mindestens Ende April auszusetzen. Jetzt wurde der diplomatische Boykott geräuschlos wieder aufgehoben.

Der türkische Botschafter Namik Tan ist nach Washington zurückgekehrt. Außerdem wird der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nun doch zum Nukleargipfel am Montag und Dienstag nach Washington reisen. Einfluss auf diese Entwicklung hatte sicher ein Telefongespräch, dass US-Außenministerin Hillary Clinton letzte Woche mit ihrem türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu führte. Es soll über eine Stunde gedauert haben. Danach war das Eis fürs erste gebrochen. Wichtig ist für die Türkei, dass der Kongress wohl nicht über die Armenierfrage abstimmen wird.

Indessen gibt es ein anderes ungelöstes Problem zwischen Ankara und Washington, nämlich dessen Wunsch nach verschärften Strafmaßnahmen gegen Iran. In Ankara hofft man deshalb in dieser Frage sehr auf ein Veto Moskaus und Pekings im Sicherheitsrat gegen neue Sanktionen. Weil die Türkei ein Nachbarland Irans ist und überdies den Handel mit Teheran gerade ausweitet, will sie von Sanktionen nichts wissen. Allenfalls, so wird kolportiert, könnte Ankara Maßnahmen zustimmen, die türkischen Interessen nicht schaden.

Der Widerstand gegen Sanktionen dürfte indessen nicht nur wirtschaftlich begründet sein. Tayyip Erdogan versucht mehr und mehr, eine von den USA und Westeuropa unabhängige Politik in der Region zu betreiben. Wenn Ankara nun Sanktionen zustimmen müsste, würde damit demonstriert, dass das neue Verständnis der Türkei an Grenzen stößt. Auch innenpolitisch wäre es nur schwer zu erklären, denn Erdogan hat mehrfach betont, dass er nicht die leisesten Bedenken wegen des iranischen Atomprogramms hat.

Auch das Problem Armenien ist nicht vom Tisch. Dabei geht es diesmal nicht um den Völkermord, sondern um die Ratifizierung der Protokolle von Zürich vom Oktober, die zum Beispiel eine Grenzöffnung vorsehen. Die Unterschrift war kaum trocken, da machte Erdogan die Ratifizierung plötzlich von einer Lösung des Konflikts Armeniens mit Aserbaidshan um Berg-Karabach abhängig. Barack Obama und seine Regierung haben zwar dafür gesorgt, dass die Völkermordresolution nicht in den Kongress kommt, doch dafür will Obama wenigstens, dass die Türkei die Protokolle ratifiziert und die Grenzblockade gegen Armenien aufhebt.

Auch hier ist Erdogan innen- und außenpolitisch in der Klemme, denn er hat sowohl seinen Landsleuten als auch dem »Bruderstaat« Aserbaidshan zugesagt, dass die Protokolle erst nach einem Abzug Armeniens von aserbaidshanischem Territorium ratifiziert werden. Trotzdem gibt es etwas Bewegung. Staatssekretär Feridun Sinirlioglu hat in Jerewan wegen eines Treffens zwischen Erdogan und dem armenischen Präsidenten Sersch Sarkisjan am Rande des Atomgipfels in Washington vorgefühlt. Die Begegnung wird wohl zustande kommen. Allerdings hatte Sarkisjan, als das Treffen mit Erdogan noch nicht abgemacht war, auch erklärt, dass er nach seiner Reise nach Washington entscheiden werde, ob Armenien wegen des türkischen Zögerns noch zu dem Protokoll stehe oder nicht.

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