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Wen die Bombe trifft

Afghanistans Widerstand kann Hightech-Sprengfallen bauen

  • Christoph R. Hörstel
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Donnerstag soll Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss aussagen. Kurzfristig war eine Verlegung des Termins erwogen worden. Wegen der Pietät.

Die vier toten Deutschen der vergangenen Woche sind einem »Improvisierten Explosionsgerät«“, amerikanisch: »improvised explosion device«, IED, also einer Straßenbombe zum Opfer gefallen. 60 Prozent der tödlichen NATO/ISAF-Verluste entstanden im vergangenen Jahr durch solche Bomben. Seit 2007 haben sich die Zahlen der Bombenattacken vervierfacht – und ebenso stark stiegen die tödlichen Verluste, trotz ständig verbesserter Panzerungen. Es wurden schon neun Meter tiefe Löcher gerissen – die Sprengladungen kommen zunehmend ohne Metallteile und Elektronik aus und wachsen einfach mit. So steigt die Zahl der Verletzten viel stärker, auf das Siebenfache seit 2007, und zahlenmäßig noch viel weiter reichen psychische Wirkungen.

Besonders unangenehm fällt dabei auf: Unsere Geheimdienste wissen zu viel darüber. So schreibt der weltberühmte Experte Ahmed Rashid in seinem jüngsten Buch »Abstieg ins Chaos«: »Die Taliban hatten (2005/6 – Anm. CRH) auch eine tödliche Lehmhütten-Industrie entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze aufgebaut – zur Herstellung von IEDs. Deren Komponenten – elektronische Schalttafeln, Zünder, Sprengstoffe und Gehäuse – wurden von Stammeshaushalten auf der pakistanischen Seite der Grenze hergestellt und anschließend von den Taliban eingesammelt, die sie nach Afghanistan sandten, wo sie zusammengesetzt wurden.«

Was Rashid schreibt, wissen pakistanische Geheimdienste schon lange, die ihrerseits kaum husten können, ohne dass CIA und alle übrigen Dienste dies mitbekommen. Der Autor wurde 2005 und 2006 von pakistanischen Geheimdienstkontakten auf geeignete Elektronikbauteile angesprochen. Einige davon stammen offenbar aus Großbritannien. Seitdem wurde zwar die Teilefertigung zunehmend nach Afghanistan verlegt – aber mit diesen Operationen kennt sich Pakistan seit 35 Jahren bestens aus: Der britische »Daily Telegraph« berichtete im Juni 2006 von Nachschub-Konvois der Taliban aus Pakistan nach Afghanistan, allein im Monat Juni über 100 Jeeps nur für die »britische« Provinz Helmand!

Alle Experten weisen auf die Parallelität von hohen US-Zahlungen an Pakistan und dessen Hilfe für die Taliban hin: Waffen, Munition, Geld, Logistik und Informationen, beispielsweise über US-Truppenbewegungen, bis hin zu Feuerunterstützung durch Pakistans Artillerie gegen US-Streitkräfte in Grenznähe. Der Autor hat 2006 als Coach ausgewählter ISAF-Führungskräfte der Bundeswehr für diese und andere Ungereimtheiten den Begriff »Terrormanagement« geprägt, umfangreich definiert und erläutert. Dies alles gipfelt in einem erschütternden Beitrag der US-Zeitung »The Nation« vom vergangenen November, dem zufolge die USA jedes Jahr Hunderte von Millionen Dollar an die Taliban zahlen lassen, damit die Nachschubkonvois für die US-Truppen in Afghanistan heil ankommen. Die Deutschen zahlen selbstverständlich auch. In die Transportraten sind die Taliban-Wegegebühren inoffiziell eingepreist, etwa 10 Prozent laut »The Nation«.

Und dann dieses: Ein Bundestagsabgeordneter berichtete dem Autor, dass NATO-Truppen in Südafghanistan zum letzten Weihnachtsfest von den Taliban eine Feuerpause erkauft hätten: für 25 Millionen Dollar. Dass die Deutschen ausgerechnet an Karfreitag ausrücken mussten, lässt auf ungesunden Ehrgeiz schließen: Wieder war es eine Bombe, die drei Todesopfer forderte.

Das Doppelspiel unserer Geheimdienste berührt Fürsorgepflichten der Bundeswehrführung für die eigenen Soldaten. Der Autor nutzte deshalb im Sommer 2008 ein Gespräch im Kanzleramt zur Nachfrage bei einer regelmäßigen Teilnehmerin an allen wöchentlichen Lageberichten der Geheimdienste. Die Person sah plötzlich müde aus und antwortete: »Ja, wir wissen das!« – und es klang nach langfristigem und exaktem Wissen. Der Autor informierte umgehend alle Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums der Geheimdienste später den gesamten Bundestag. Ohne Reaktion.

Die strategischen US-Ziele sind klar: Iran einkreisen, Russland und China eindämmen – und den Rohstoffkunden China von seinem Lieferanten Iran durch einen geostrategischen Chaos-Keil in »AfPak« zu trennen. Dumm ist eben nur, wenn derartige Ritte auf Messers Schneide schief gehen.

Morgen im ND: Guttenberg vorm Ausschuss. Und: Chaos-Strategie

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