Das Haus als Obsession

Die Ausstellung zu 100 Jahren Liebermann-Villa dokumentiert auch die Landhausbewegung

  • Sigrid Hoff, epd
  • Lesedauer: 4 Min.
Max Liebermann 1920 (l), sein Werk »Der Eingang zum Landhaus« (Ausschn.)
Max Liebermann 1920 (l), sein Werk »Der Eingang zum Landhaus« (Ausschn.)

Der Blick geht von der Terrasse über den Rasen mit der Birkenallee bis weit nach hinten: Wasser blitzt auf, ein Segelschiff zieht vorbei. Unzählige Male hielt der Künstler Max Liebermann genau dies im Bild fest. Und ebenso oft malte er die umgekehrte Sicht mit Blumenrabatten, Terrasse und Haus.

»Mein Schloss am See« nannte er stolz sein Anwesen am Wannsee, selbst wenn es im Vergleich zu den opulenten Villen der Familien Siemens, Springer oder Sauerbruch noch vergleichsweise bürgerlich ausfiel. Vor genau 100 Jahren bezog der Berliner Malerfürst seine Sommerresidenz. Ein Grund für die Max-Liebermann-Gesellschaft, in ihrer neuen Sonderausstellung in der Liebermann-Villa das Haus selbst zum Thema zu machen. Über 40 Gemälde, Zeichnungen, Fotografien und Dokumente zur Geschichte der Liebermann-Villa zeichnen den Weg von der Idee bis zu ihrer Realisierung nach, vom Traum eines Hauses im Grünen zum Lieblingsmotiv des Alterswerks.

Viele der hier gezeigten Gemälde sind als Leihgaben aus dem In- und Ausland erstmals an den Ort zurückgekehrt, den sie als Motiv zeigen. Ein Kapitel ist der Baugeschichte und dem Schicksal des Hauses gewidmet, von der Enteignung im Nationalsozialismus über die Nutzung als Vereinshaus eines Taucherclubs bis zu seiner Rettung durch die Liebermann-Gesellschaft und die Eröffnung als Museum. »Es ist die größte Ausstellung, die wir seit der Eröffnung 2006 zeigen«, betont Museumsdirektor Martin Fass.

Die Landhaus-Idee lag um 1900 in der Luft: Zahlreiche Villenkolonien entstanden, nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg. So begeisterte sich Max Liebermann bei einem Besuch bei seinem Freund Alfred Lichtwark, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle, für die prächtigen Häuser im dortigen Vorort Nienstedten. Als Beispiel zeigt die Ausstellung das Godeffroy'sche Landhaus. Die Großzügigkeit der Architektur inmitten ausgedehnter Gärten und der weite Blick über die Elbe bis ins Alte Land hatten es ihm angetan.

Der Gegensatz zu der unruhigen Großstadtatmosphäre am Brandenburger Tor, Liebermanns Berliner Stadthaus, konnte kaum größer sein. »Wissen Sie vielleicht ein Häuschen mit großem Garten in der Umgebung von Hamburg?«, schrieb er 1903 an Lichtwark. Da stand der 1847 geborene Maler im Zenit seines Schaffens. Doch so ganz ernst war es dem überzeugten Berliner mit dieser Frage wohl nicht.

Wenig später schob er seine erwachsene Tochter und deren Tanzlust als Grund vor, warum er in der Reichshauptstadt bleiben wolle. Umso eifriger suchte er dort nach einem Grundstück im Grünen. Er fand es schließlich in der 1863 gegründeten Villencolonie Alsen am Südufer des Wannsee.

Der Entwurf zu dem 1909 bis 1910 im klassizistischen Stil errichteten Haus stammt von Paul Baumgarten. Die Ausstellung belegt mit Zeichnungen und Gemälden Hamburger Vorbilder, dass Liebermann zumindest auf die äußere Gestaltung Einfluss nahm. Den Garten entwickelte der Maler ganz eigenständig mit Unterstützung seines Hamburger Mentors und Gartenreformers Martin Fass: »Lichtwark war ein passionierter Gartentheoretiker, er hat viele Freunde und Kollegen bei der Gestaltung von Gärten unterstützt.«

Immer wieder tauschte man sich in Briefen und bei Besuchen darüber aus. Den Hauptteil der Ausstellung nehmen Bilder Liebermanns ein, die den Garten immer wieder neu entdecken: Den Staudengarten, die Blumenterrasse, die Birkenallee. Mit intensiven Farben und kräftigem Pinselstrich, mal auch als zartes Aquarell oder mit Ölkreide gibt es kaum eine Perspektive, die der Maler nicht festgehalten hat. Flirrendes Sonnenlicht als helle Tupfer, die sich immer steigernde Farbwirkung der Blumenbilder bis zum fast völligen Verschmelzen der Farben und Formen – deutlich ablesbar ist die künstlerische Entwicklung am immer gleichen Sujet. Seine Villa im Grünen wird das Lieblingsmotiv des alten Malers.

Die Ausstellung verankert darüber hinaus Liebermanns Bilder in der Kunst- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Zu sehen sind beispielsweise eine Radierung von Heinrich Vogelers Barkenhoff, Feiningers Zeichnungen der Villa Oppenheim am Ostseestrand, Slevogts Bild seines Anwesens in Neukastell oder Corinths »Garten in Westend«.

Das Haus im Grünen war auch in der Kunst als Thema angesagt, bekräftigt Kurator Martin Fass: »Wir zeigen, dass Liebermann mit seinen Werken und dem Bau seines Hauses eine Idee aufgreift, die in der Luft lag.« Außergewöhnlich ist jedoch die Besessenheit, mit der Liebermann seinen Garten und sein Haus malt, am ehesten vergleichbar mit den intensiven Gartenbildern aus Giverny im Spätwerk Claude Monets. Der Reiz der Ausstellung in der Liebermann-Villa liegt auch darin, dass man den Motiven der Kunst im Garten wieder begegnet.

»Die Idee vom Haus im Grünen« ist bis 15. August täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr sowie donnerstags von 10 bis 20 Uhr in der Colomierstr. 3 zu sehen.

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