Taumelnde Neubauten

Galerie Nord vergleicht die Ästhetiken von Großstädten

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Stadt ist nicht nur bebaute Fläche, sondern auch ästhetischer Erlebnisraum. Auf diesen Zusammenhang machen vier künstlerische Positionen in der Doppelausstellung »muster/stadt/modell/stadt« und »New York – Berlin – Venezia« in der Galerie Nord in Moabit aufmerksam.

Während Bettina Hutschek in der Exposition mit den drei Städtenamen kaum mehr als ein großflächiges Arrangement aus audiovisuellen Abdrücken der drei Ansiedlungen gelingt, haben sich Ursula Döbereiner, Stephanie Nava und Katharina Schmidt ungewöhnlichere Zugänge zum Thema einfallen lassen.

Die Marseiller Künstlerin Stephanie Nava entscheidet sich für die Konzentration. Aus simplen weißen Klötzen fügt sie ein geducktes und gedrängtes städtebauliches Zentrum zusammen, dessen Formen auf die traditionelle europäische Stadt verweisen. Silhouetten von Kirchen und Opernhäusern sind zu erkennen. Es streben aber auch die großen Quader der Moderne gen Himmel. Platziert ist das Ensemble auf groben Holzbrettern. Das gibt einen Hinweis auf die eigentlichen Materialien des Bauens, die jedoch meist aus den sauberen Studios und Büros verbannt sind. Ein grünes Gummiband umschlingt die gesamte Gruppe, was dem Bild noch eine weitere – jedoch überflüssige – Note des Provisorischen hinzufügt.

Zieht sich bei Nava alles zusammen, so fliehen die Elemente bei Döbereiner und Schmidt ins Weite. Katharina Schmidt setzt auf eine mit waagerechten Pinselstrichen strukturierte Wandfläche noch weiße Symbole in Form eines umgedrehten V. Es handelt sich um Schnittmusterbogen von Hosen. In Massen auf die Wandfläche appliziert geben sie den dynamischen Rhythmus einer von Menschen durchfluteten städtischen Anlage wieder.

Die interessanteste Arbeit ist indes Ursula Döbereiner gelungen. In der Installation »kotti008« nahm sie die banalen Hochhaussilhouetten des sogenannten Neuen Kreuzberger Zentrums, redimensionierte sie auf menschliche Größe und ließ sie zudem so taumeln, wie sie sich dem Blick des vorbeieilenden Passanten darstellen. Sie schnitt die Fassaden in etwas über zwei Meter hohe Kartons, bog und verjüngte die Fassaden jedoch gemäß eines Blickpunktes zu ihren Füßen. Diese Silhouetten reiht Döbereiner nun zu einem so konstruktivistischen wie individualistischen Stadtwald zusammen. Man hätte sich gewünscht, dass die Künstlerin diese Aufsteller noch ein wenig weiter bearbeitet, als nur ab und an Fensterreihen in sie einzuschneiden. Denn die Idee ist gut, die Ausführung aber leider ein wenig karg. Dennoch ist ihr ein bemerkenswertes Statement zur Transformation von Außenerfahrungen in einen kleineren Innenraum geglückt.

Und dass ein Mehr an Materialien nicht unbedingt zu einem Mehr an Erfahrung führt, demonstrierte schließlich Hutschek im Nachbarraum. In ihrer Gesamtkomposition vermag die Doppelausstellung in der kommunalen Galerie in der Turmstraße aber doch zu überzeugen.

Galerie Nord, Turmstr. 75, Di.-Sa. 13-19 Uhr, bis 21.5.

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