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Zwei-Klassen-Recht am Jordan

Israelische Aktivistin klagt Militärjustiz ihres Landes an

  • Martin Lejeune
  • Lesedauer: 3 Min.
Durch Erlasse und Verfügungen des israelischen Militärs unterliegen die Palästinenser im Westjordanland einer alltäglichen Diskriminierung. Auch für israelische Menschenrechtsaktivisten widerspiegelt sich darin ein strukturelles Zwei-Klassen-Recht.

Roni Hammermann hat sich schon häufig mit der israelischen Besatzungsmacht angelegt, ob bei Konfrontationen mit den sogenannten Siedlern oder an den Grenzkontrollpunkten. Die Israelin ist Mitbegründerin der Menschenrechtsorganisation »Machsom Watch« (Kontrollpunkt Beobachtung). Auf Einladung von amnesty international ist die 69jährige Hammermann, die sich seit 40 Jahren für die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Land engagiert, gegenwärtig in Deutschland unterwegs, um über eine weitere Facette der Besatzungspolitik zu informieren: die Nichtgleichbehandlung von Juden und Palästinensern durch die israelische Justiz. »Schuldig – unfaire Gerichtsverfahren vor israelischen Militärgerichten« war ihr Thema auch am Freitagabend im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte.

»Militärgerichte wurden in den besetzten Gebieten ursprünglich eingerichtet, um Verfehlungen der besetzenden Soldaten zu ahnden«, erinnert Hammermann. Doch komme die Verfolgung von Unrecht durch Israelische Soldaten im palästinensischen Westjordanland heute praktisch nicht mehr vor: »Das Besatzungsrecht ist nicht mehr dazu da, Ordnung und Sicherheit in den okkupierten Gebieten zu gewährleisten. Stattdessen dient die Militärjustiz einzig dem israelischen Staat, um Protest und Widerstand gegen die Besatzung zu unterdrücken«, stellt sie fest.

Oftmals reiche schon die Teilnahme an einer friedlichen und angemeldeten Kundgebung – zum Beispiel gegen die Mauer auf palästinensischem Boden, die jeden Freitag stattfindet –, um in einem Militärgefängnis zu landen.

Inzwischen werden in all diesen Fällen die im Westjordanland festgenommenen Palästinenser in Armeegefängnissen westlich der Grünen Linie im israelischen Stammland arretiert. »Dabei interessiert es Israel überhaupt nicht, daß dies nach Artikel 66 der Vierten Genfer Konvention rechtswidrig ist. Gefängnisse der Besatzer«, so Hammermann, »darf es außerhalb des besetzten Gebietes nicht geben.« Dies sei eine unerträglich.

Das Militärrecht gilt in den besetzten Gebieten weder für israelische Zivilisten noch für jüdische Siedler, sondern allein für Palästinenser. Im Westjordanland aufgegriffene Israelis können höchstens vor ein Zivilgericht in Israel gestellt werden. »An ein und dem selben Ort im Westjordanland hat sich folglich ein Zwei-Klassen-Recht entwickelt«, analysiert Hammermann.

Würden nach einem Zwischenfall im Westjordanland z. B. ein palästinensischer Hirte und ein israelischer Siedler verhaftet, könne das Militär nur den Palästinenser für 96 Stunden ohne richterliche Anordnung inhaftieren. Der an gleicher Stelle festgenommene Israeli darf höchstens 24 Stunden lang festgehalten werden. Ein weiteres Beispiel für das Zwei-Klassen-Recht sei, daß in den besetzten Gebieten die Volljährigkeit und das Erwachsenenstrafmaß für die Palästinenser mit 16 beginne, für Israelis hingegen mit 18.

Hammermann machte deutlich, dass es nach ihrer Ansicht »Aufgabe der EU wäre, Israel an die Einhaltung dieser elementaren internationalen Rechtsnormen zu erinnern«. Eine Reaktion aus Brüssel hat es dazu bislang allerdings nicht gegeben.

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