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Schlecker-Konflikt spitzt sich zu

Gewerkschaft berichtet von »Wachhunden« für missliebige Beschäftigte

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Anton Schlecker bleibt im Rampenlicht kritischer Gewerkschafter. Denn auch nach der im Januar unter starkem öffentlichem Druck erzwungenen Zusage des Drogeriebosses, in seinen XL-Märkten künftig keine Billigarbeitskräfte mehr über die konzerneigene Leiharbeitsfirma Meniar einzustellen, ist im Schlecker-Konzern keine heile Welt angesagt.

So beklagt die Gewerkschaft ver.di in Südhessen Fälle gezielter Demütigung von Beschäftigten. In einem Falle etwa habe die Schlecker-Konzernleitung dafür gesorgt, dass einer missliebigen Filialleiterin an jedem Arbeitstag ein »Wachhund« zur Seite gestellt wurde, um sie zu verunsichern, zu Fehlern zu nötigen und von der übrigen Belegschaft zu isolieren. Die Frau hatte kurz zuvor mit einer Kündigungsschutzklage ihre Weiterbeschäftigung durchgesetzt und war an ihre alte Arbeitsstelle zurückgekehrt. Als »Wachhunde« dienten die Assistentin der Bezirksleiterin Claudia Dej und die Vertreterin des Bezirksleiters Tim May, beklagt ver.di-Sekretär Horst Gobrecht: »Lediglich der Gang zur Toilette bleibt ihr ohne Begleitung gestattet.«

Die Rechtsabteilung des Schlecker-Konzerns beruft sich auf ein »gestörtes Vertrauensverhältnis«. Gobrecht hingegen spricht von einem »Versuch, die durch die Eröffnung von XL-Märkten als ›überflüssig‹ erscheinenden Beschäftigten der ›alten‹ Schlecker-Filialen auf finanziell billige, aber moralisch verwerfliche Weise loszuwerden«.

Der Gewerkschafter erhebt im Zusammenhang mit einer weiteren Kündigungsschutzklage einer Filialleiterin im Bereich Darmstadt Vorwürfe gegen Tim May. Das Verfahren dürfte demnächst in zweiter Instanz weiter gehen. So habe der Bezirksleiter versucht, eine Angestellte »durch psychischen Druck zu einer nicht wahrheitsgemäßen Zeugenaussage zu verleiten«, so ver.di. Dies nahm der Darmstädter Schlecker-Regionalbetriebsrat zum Anlass, um die Entfernung Mays aus der Region zu verlangen, weil er Beschäftigte wie »unmündige Menschen oder lediglich Befehlsempfänger« behandle. Vor einem juristischen Nachspiel wegen »gezielter Beeinflussung der Zeugin« warnt eine ver.di-Publikation.

Die Region Darmstadt war im vergangenen Sommer eine Hochburg des bundesweiten Widerstands der Schlecker-Verkäuferinnen gegen Entlassungen und Schleckers Meniar-Trick. Dabei hatte die Kündigung von vier Verkäuferinnen in der Gemeinde Groß-Bieberau eine Protestwelle mit starkem Echo ausgelöst. »Die vier Kündigungen wurden zurückgenommen und der neue XL-Markt wird von der Bevölkerung boykottiert«, erklärte die regionale Schlecker-Betriebsratsvorsitzende Katja Deusser bei der jüngsten DGB-Maikundgebung in Darmstadt. Dies zeige, »wozu eine gut organisierte Belegschaft und eine bündnisfähige Gewerkschaft in der Lage sind«.

Dass seit Jahresbeginn schon in 150 von 320 Schlecker-Regionen Betriebsräte gewählt wurden, ist vor allem Folge der von mutigen Verkäuferinnen angestoßenen Proteste. Doch Schlecker lässt auch nach seinem Meniar-Desaster nicht locker. »In neun von zehn Fällen werden die bestellten Wahlvorstände angegriffen, behindert, schlecht gemacht, ja sogar gekündigt«, so Katja Deusser. Zur Aushöhlung des in der Belegschaft stark verwurzelten und selbstbewussten Darmstädter Betriebsrats habe die Arbeitgeberseite bei der jüngsten Betriebsratswahl »die unternehmerischen U-Boote gleich scharenweise ins Rennen geschickt«. Allerdings vergeblich, so Deusser: »Nur gewerkschaftlich organisierte, kämpferische Kolleginnen wurden gewählt.« »Wir werden weiterhin Aktionen gegen Schlecker-XL-Märkte unterstützen«, kündigte die Betriebsrätin an.

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