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Rumänien erwartet heißen Sommer

IWF verlangt bis Ende Juni drastische Lohn- und Rentensenkungen

  • Anton Latzo
  • Lesedauer: 3 Min.
»Hart, aber notwendig« nannte IWF-Unterhändler Jeffrey Franks das Sparpaket, das die rumänische Regierung nach den »Vorstellungen« des Weltwährungsfonds für die Bevölkerung schnürt.

Ende April war eine IWF-Delegation in Bukarest eingetroffen, um die Erfüllung des im vergangenen Jahr geschlossenen Abkommens zwischen IWF, EU und Rumänien zu überprüfen. Damals hatte man Rumänien einen 20-Milliarden-Euro-Notkredit zur Krisenbewältigung zugestanden. 12 Milliarden hat das Land bereits bekommen.

Delegationsleiter Jeffrey Franks ließ keinen Zweifel daran, dass die bisherige Entwicklung die Erwartungen seiner Institution nicht erfüllt. Die fünfte Rate des Kredits, 850 Millionen Euro, werde Ende Juni nur überwiesen, wenn die Regierung in Bukarest durchsetze, wozu sie sich verpflichtet hatte.

Franks stellte Rumänien die Aufgabe, das Haushaltsdefizit, das sich 2010 voraussichtlich auf 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen wird, im Jahre 2011 auf 4,4 Prozent zu senken. Präsident Traian Basescu kündigte auch umgehend drastische Maßnahmen an: Rumänien müsse Löhne, Gehälter und Renten kürzen. Der aus dem Haushalt finanzierte Lohnfonds wird ab Juni um 25 Prozent reduziert. Die Leiter staatlicher Institutionen werden verpflichtet, eine Auswahl unter ihren Mitarbeitern vorzunehmen, die »nicht auf politischen Kriterien, sondern auf Kompetenz« beruhe. Es geht also um massive Entlassungen! Den Vorstellungen des IWF zufolge muss die Zahl der öffentlich Bediensteten – sowohl in zentralen als auch in örtlichen Behörden – stufenweise um 250 000 gesenkt werden. Mindestlöhne und -gehälter werden Basescu zufolge auf einheitliche 600 Lei (144 Euro) reduziert. Bisher galt in öffentlichen Institutionen ein Mindestlohn von 705 Lei. Renten und Sozialhilfesätze werden um 15 Prozent verringert. Auf diese Weise will Basescu das »Vertrauen« des IWF in die Fähigkeit der Regierung unter Emil Boc wiederherstellen.

Ökonomen weisen darauf hin, dass sich ihr Land nach wie vor in der Rezession befindet. Auch in diesem Jahr wird ein »leicht negatives Wachstum« erwartet. Kritisiert wird, dass die Kreditgelder zum geringsten Teil in produktive Bereiche investiert werden. Gleichzeitig erreichen die Rückzahlungsverpflichtungen einen Umfang, der für das Land nur schwer erträglich ist. In diesem Jahr muss Rumänien gut 10 Milliarden Euro an früher übernommenen Schulden zurückzahlen. Allein der Zinsanteil beläuft sich auf 1,8 Milliarden Euro – das Doppelte der Summe, die Rumänien nach den jüngsten Verhandlungen als fünfte Rate des Notkredits erhalten soll.

Unter den politischen Parteien fehlt indes eine Kraft, die in der Lage wäre, eine Alternative zu erarbeiten und die Bevölkerung zu wirksamem Widerstand gegen eine mehr und mehr menschenverachtende Politik zu mobilisieren.

Einziges Ergebnis des Treffens Präsident Basescus mit Vertretern der großen Gewerkschaften war die Bildung einer »Krisenstruktur«, in der Gewerkschaften, Unternehmerverbände, Regierungsvertreter und Parteipolitiker vertreten sind. Das Gremium soll die vorgesehenen Maßnahmen und Lösungen analysieren.

Die fünf großen Gewerkschaftsorganisationen des Landes haben unabhängig davon ein eigenes Krisenkomitee gegründet. Es soll einen Protestkalender ausarbeiten und Aktionen koordinieren. Für den 19. Mai ist ein »massives Meeting« vor dem Regierungssitz angekündigt. Am 25. Mai soll ein Streik im öffentlichen Dienst beginnen.

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