Berlin braucht junge Migranten

Senat und Wirtschaft starten Ausbildungskampagne / Fachkräftemangel droht

  • Nissrine Messaoudi
  • Lesedauer: 3 Min.

Samira, Dimitrij, Hung und Mehmet. Das sind einige der Namen, die in blauer, gelber, grüner und oranger Schrift das pinke Plakat zur neuen Ausbildungskampagne für junge Migranten zieren. Unter dem Motto »Berlins Wirtschaft braucht dich!« sollen junge Migranten in den nächsten Monaten gezielt angesprochen werden, um sie zu ermutigen, eine Ausbildung zu beginnen. Wer glaubt, es handle sich dabei um reine Nächstenliebe, irrt. Denn Deutschland und damit auch die Hauptstadt stehen vor einem gewaltigen Problem: Es gibt kaum genügend Fachkräfte.

Zusammen mit dem demografischen Wandel und der sinkenden Zahl an Schulabgängern stehe Berlin vor einer großen Herausforderung, warnte Arbeits- und Integrationssenatorin Carola Bluhm (LINKE) am Montag bei der Vorstellung der Kampagne. Mit neuen Maßnahmen will der Senat zusammen mit der IHK und der Berliner Handwerkskammer dieser Entwicklung entgegen wirken. »Es geht um Wandel in der Politik und in der Wirtschaft«, versicherte Bluhm. Eine bessere Schulbildung mit praktischer Berufsorientierung sei notwendig. Aber auch die Unternehmen müssten in die Pflicht genommen werden, nicht nur die besten Schüler auszulesen, sondern auch den schlechter abschneidenden eine Chance zu bieten. Doch auch die Jugendlichen sollen motiviert werden, indem man ihnen klar mache, dass sie ein besseres Leben mit einer Ausbildung führen könnten, so Bluhm.

Seit 2006 hat der Senat bereits mehrere Kampagnen gestartet, die sich vor allem an junge Migranten richten. »Mit ›Berlin braucht dich!‹ haben wir erste Erfolge erzielen können«, sagte Bluhm. Während 2006 nur 8 Prozent der Azubis im öffentlichen Dienst einen Migrationshintergrund hatten, waren es 2009 rund 19 Prozent.

Was beim öffentlichen Dienst sowie bei den Landesbetrieben bereits angelaufen ist, soll jetzt auf die Wirtschaft erweitert werden. Man kann also von einer Win-Win-Situation sprechen. Von der Kampagne können schließlich Unternehmen und Jugendliche profitieren.

Jährlich gibt es mindestens 1000 Schulabgänger weniger. Von den Abgängern haben 25 Prozent einen Migrationshintergrund. In zehn Jahren sind es 50 Prozent. »Um den Bedarf an Fachkräften für die Berliner Wirtschaft zu sichern, können wir es uns nicht leisten, Potenziale ungenutzt zu lassen«, erklärte IHK-Präsident Eric Schweitzer. Potenziale, die es schon länger gibt und die jetzt endlich von der Wirtschaft erkannt werden, sind beispielsweise Sprach- und Interkulturelle Kompetenzen.

Bisher wird die Kampagne von vier Unternehmen unterstützt: Hornbach-Baumarkt AG, ALBA AG, GRG Service Group und die Gegenbauer-Gruppe werden Ausbildungsplätze mit Migranten besetzen. Eine Quotenregelung lehnen allerdings Senat und Wirtschaft ab. »Wir wollen Unternehmer gezielt ansprechen und für das Thema sensibilisieren. Zwang geht in die falsche Richtung«, sagte Handwerkskammer-Präsident Stephan Schwarz.

Sensibilisiert werden sollen auch die Eltern der angehenden Azubis, damit sie ihre Kinder ermutigen, eine Berufsausbildung zu beginnen. Zusammen mit Migrations-Verbänden, der Schule und dem Arbeitsamt sollen flächendeckende Perspektiven geboten und eine enge Zusammenarbeit mit Unternehmen gefördert werden.

www.berlins-wirtschaft-braucht-dich.de


Fachkräftesicherung mit Migranten

  • Jeder zweite Neugeborene hat einen Migrationshintergrund. Junge Migranten stellen mit 40 Prozent eine wachsende Gruppe in der Bevölkerung dar.
  • Während jetzt noch 25 Prozent aller Schulabgänger einen Migrationshintergrund haben, werden es in zehn Jahren 50 Prozent sein.
  • Schon 2015 wird damit gerechnet, dass 270 000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. 2030 sogar bis zu 460 000.
  • Die Kampagne des rot-roten Senats, der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer (IHK) wird mit 535 000 Euro aus Arbeitsmittelgeldern finanziert.


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