»Die Welt schaut der Unterdrückung zu«

  • Martin Lejeune
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit 2006 ist der Gaza-Streifen nahezu komplett abgeriegelt. Israel und Ägypten entscheiden, wer welche Güter einführen darf. In der Nacht zum Montag haben israelische Soldaten in internationalen Gewässern Schiffe mit Hilfslieferungen für die palästinensische Bevölkerung geentert. Dabei kamen mindestens zehn Menschen ums Leben.

Jamal al Shayyal, Korrespondent des arabischen Fernsehsenders »Al Dschasira«, berichtete am Montagmorgen verstört von Bord der »Mavi Marmara«, einem der sechs Schiffe, die unter anderem 500 Rollstühle und Teile für Fertighäuser an Bord haben. Güter, die von den Bewohnern des Gaza-Streifens aufgrund des seit Jahren andauernden Embargos dringend benötigt werden. Einem Zensor der israelischen Armee gegenüberstehend sagte Shayyal, dass vermummte Elitesoldaten eines israelischen Sonderkommandos die Schiffe geentert hätten. Dabei sei auch mit scharfer Munition geschossen worden, zahlreiche Menschen seien ums Leben gekommen, viele weitere verletzt worden. Mehr konnte Shayyal nicht mitteilen, denn ein israelischer Soldat entriss ihm vor laufender Kamera das Mikrofon. Danach brach die Übertragung ab.

An Bord der unter türkischer Flagge fahrenden »Mavi Marmara« war auch der Führer der Islamischen Bewegung der Palästinenser in Israel, Sheikh Raed Saleh, der erst vor kurzem aus israelischer Haft entlassen wurde und noch vor zwei Wochen auf einer Palästinenser-Konferenz in Berlin vor Tausenden Menschen sprach. Er soll laut Presseberichten lebensgefährlich verletzt worden und in ein Krankenhaus in Haifa (Israel) ausgeflogen worden sein.

Die Menschen im Gaza-Streifen selbst sind angesichts des israelischen Vorgehens gegen die dringend benötigten Hilfslieferungen empört. Ein Apotheker aus Gaza-Stadt fragte: »Was sollen wir jetzt noch tun?« Die Menschen auf den Straßen und in den Geschäften sind aufgebracht darüber, dass »die Welt immer noch zuschaut, wie die Palästinenser unterdrückt werden, und nichts unternimmt gegen diese Ungerechtigkeit«. Die Verzweiflung der Menschen wächst. Perspektivlosigkeit ist das vorherrschende Gefühl, denn es fehlt an allem: an Schulbüchern, an medizinischen Geräten und an Zement, um die durch israelische Bombardements zerstörten Gebäude wieder aufzubauen.

Als im Jahr 2000 die sogenannte Al-Aqsa-Intifada ausbrach, hatte Israel mit der nahezu kompletten Blockade des Gaza-Streifens begonnen. Seitdem werden sogar Hilfsgüter, die aus Ägypten kommen, im israelisch-ägyptischen Grenzort Kerem Schalom kontrolliert. Auch die 2005 auf Druck der USA vereinbarten Erleichterungen der israelischen Einfuhrbestimmungen änderten in der Praxis kaum etwas.

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