nd-aktuell.de / 02.06.2010 / Politik / Seite 6

Viele Hochwasserbetroffene stehen im Regen

Auszahlung von Entschädigungen nach Katastrophen wird in Polen sehr unterschiedlich gehandhabt

Julian Bartosz, Wroclaw
Im öffentlichen Sprachgebrauch wird derzeit zwischen Oder und Bug das Wort »Entschädigungen« ganz besonders strapaziert. Dies liegt ohne Zweifel an zwei Geschehnissen.

Da gab es am 10. April bei Smolensk die Flugzeugkatastrophe mit dem Präsidentenehepaar Ka-czynski und 94 weiteren Personen an Bord, und da wurden in den vergangenen zwei Wochen Hunderte Quadratkilometer entlang der Flüsse Weichsel, Oder und Warthe überschwemmt.

In beiden Fällen sind Entschädigungen für Opfer und Betroffene fällig. Das Wort wird aber unterschiedlich geschrieben. Den Hinterbliebenen des Flugzeugunglücks – es war schließlich eine nationale Tragödie – wurden aus einem Sonderfonds im Haushalt und von Versicherungen sofort 100 000 Zloty (etwa 25 000 Euro) zugebilligt, den Kindern ein Stipendium von monatlich 2000 Zloty (bis zum 25. Lebensjahr) gewährt, 71 Erwachsenen eine Sonderrente auf Lebenszeit zuerkannt. Obwohl der Staat die Beerdigungskosten trug (etwa 20 Millionen Zloty), erhielten die Familien von der PZU-Versicherung 6000 Zloty.

Wie der PO-Abgeordnete Janusz Palikot am Wochenende publik machte, soll Marta, die Tochter Maria und Lech Kaczynskis, 3 Millionen Zloty Entschädigung erhalten. Ihr Vater, der Präsident, war mit 2 Millionen versichert, seine Frau mit 1 Million – beides aus Staatsmitteln.

So großzügig und schnell wurde in Entschädigungsangelegenheiten in Polen noch nie gehandelt. Nach Daten der Staatlichen Arbeitsinspektion – von der linken Wochenschrift »NIE« veröffentlicht – ereigneten sich im Jahr 2008 in Polen 521 Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang. Die Hälfte der Familien der Opfer rang bis Ende 2009 um die ihnen zustehende Entschädigung.

Die Witwen von 55 Passagieren und Besatzungsangehörigen, die 1993 beim Untergang der Fähre »Heweliusz« in der Ostsee ertranken, erhielten nach sieben Jahren Prozessierens erst vom Straßburger Tribunal für Menschenrechte 4600 Euro zuerkannt. Für 65 Tote und 171 Verletzte in der Messehalle in Katowice 2006 gab es Geld ebenfalls erst nach langen Prozessen. Angehörigen tödlich verunglückter Bergleute (Grube Halemba 2006 – 23 Opfer, Wujek 2009 – 20 Opfer) wurden einmalig bis zu 30 000 Zloty ausgezahlt und Stipendien für die Kinder (450 Zloty) vorgesehen. 26 Tote gab es 2007 unter Pilgern nach Lourdes – deren Angehörige wurden mit Summen bis zu 125 000 Zloty getröstet.

Was die Uberschwemmungsgeschädigten betrifft, gibt es folgende Summen: Soforthilfe 6000 Zloty vom Sozialamt, bis zu 20 000 für Reparaturen der Häuser und nach der Berechnung von Sachverständigen bis zu 100 000 Zloty für den Bau einer neuen Bleibe. Die Opfer des Hochwassers stehen im doppelten Sinne im Regen: Sie sind mit dem Verlust ihrer Habe arme Leute und dazu regnet es derzeit weiter wie vor drei bis vier Wochen.