Rollos im Weinberg

In Baden-Württemberg hat ein Tüftler spezielle Netze zum Hagelschutz von Weinbergen entwickelt

  • Doreen Fiedler, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Schwere Hagelstürme, aber auch Vögel haben in den letzten Jahren in den Weinanbaugebieten immer wieder große Schäden angerichtet. Jetzt setzen die Winzer immer häufiger ein neues Rollsystem zum Schutz der Weinberge ein.

Ehrenkirchen/Emmendingen. Eine kleine Kurbel ist das einzige Werkzeug, das Florian Dreher einpackt. Damit schreitet der Winzer in seinen idyllischen Weinberg und kurbelt die neuen Hagelschutznetze herunter. 56 Prozent Hangneigung sind es hier unter der Ruine Hochburg im Kreis Emmendingen (Baden-Württemberg). »Reine Handarbeitslage«, wie Dreher sagt. Seinen wertvollen Spätburgunder-Rotwein schützt er seit einem Jahr mit einem speziellen Schutznetz, das ein paar Dutzend Kilometer entfernt erfunden wurde – in Ehrenkirchen im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald.

Nur noch Wüste

Kurt Wagner entwickelt und produziert dort in seiner Firma eigentlich Hydraulikkomponenten und Antriebstechnik. Doch als im Jahr 2004 verheerender Hagel auf das benachbarte Markgräflerland niederging, hat das den Mittelständler sehr betroffen gemacht: »Dort war nur noch Wüste, komplett abgeräumt. Viele Weingüter sind in Bedrängnis geraten.« Wagner wollte helfen, doch seine ersten Experimente gegen den Hagel waren ernüchternd: Nichts funktionierte richtig – weder Klapp- oder Zurrsysteme noch Überspannnetze. Als es 2007 im Elsass wieder einen schweren Hagelschlag gab, traf Wagner eine »rein emotionale Entscheidung«. Noch einmal investierte er und entwickelte zusammen mit dem Weinbauinstitut in Freiburg ein Rollsystem als Hagelschutz – die sogenannten Whailex-Schutznetze. Doch das Rollo, das als feinmaschiges Netz auf beiden Seiten der Weinreben herabgelassen wird, war anfangs viel zu teuer für die Winzer. Das änderte sich schnell, als klar wurde, dass die eng anliegenden Netze den Wein nicht nur vor Hagel schützen.

Auch Winzer Florian Dreher hätte sie wegen des Hagelschutzes allein nicht gekauft. Doch dank der Netze muss er nun die Zweige nicht mehr hochbinden – eine schweißtreibende Arbeit am steilen Berg. »Die Reben wachsen im Netz innen drin hoch«, sagt Dreher. Nur zwei bis dreimal im Jahr wickelt er das Rollo hoch, damit sich die Ranken nicht dauerhaft im Netz festkrallen. Viel Kraft oder Technik sei dafür nicht nötig. »Das schafft sogar unser 11-jähriger Sohn. Bei einem hundert Meter langen Rollo«, sagte Dreher.

Der Winzer stellt weitere Vorteile fest: »Die Reben wachsen gerader, es gibt keinen Windbruch mehr und außerdem weniger Schäden durch Rehe und Wildschweine.« Auch die Touristen der Ruine Hochburg kommen nicht mehr an die Trauben heran. Der wichtigste Effekt ist laut Dreher aber der Schutz vor Vögeln. »Was wir früher in einem Jahr Verlust durch Vogelfraß hatten, das hat uns das Netz gekostet.« Und sogar vor Insekten schütze das Netz mit seinen drei mal acht Millimeter großen Maschen.

13 500 Euro kosten ihn die Rollos pro Hektar, erzählt Winzer Dreher. Dazu kämen Kosten von 10 000 Euro für die Installation. Das lohne sich aber, denn bisher habe er die alten Vogelnetze immer aufwendig anbringen und abnehmen müssen und während des restlichen Jahres benötigte er viel Platz, um sie zwischenzulagern. Nun können die Rollos das ganze Jahr über hängenbleiben.

»Vor allem bei den guten Weinbaugebieten und der hochpreisigen Ware sind wir gefragt«, sagt Wagner – dort, wo Eiswein oder frühe Sorten produziert werden, wo Tafeltrauben hängen oder ein Wald in der Nähe ist. Mittlerweile habe er auch Anfragen aus Bulgarien, Kroatien und Kanada.

Tests für Beerenobst

Dass seine Netze funktionieren, weiß Wagner spätestens seit einem Hagelschaden in Neustadt an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz. Dort seien nur zwei bis drei Prozent der Beeren kaputt gegangen, ohne Netze seien es 25 bis 30 Prozent gewesen. Und Kurt Wagner tüftelt weiter. Momentan testet er mit Himbeeren, Brombeeren und Stachelbeeren, deren Erzeuger oft mit enormen Schäden durch Sonnenbrand zu kämpfen haben. Gerade Biobetriebe zeigten Interesse, da sie ihre Ware kaum anders schützen könnten. Wagner ist sich sicher: »Die Beeren werden den Wein bei der Nachfrage noch übertreffen.«

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