Achtzehn Jahre Bunker

Bei Schwerin vergammelten archäologische Fundstücke aus DDR-Beständen

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Jahr nach den in Schwerin verrotteten prähistorischen Einbäumen gibt es neue Berichte über unsachgemäße Lagerung archäologischer Funde in Mecklenburg-Vorpommern. Besonders betroffen sind Bestände des Schweriner Museums für Ur- und Frühgeschichte.

Kann Schimmel Objekten aus Stein etwas anhaben? »Über einen längeren Zeitraum: Leider Ja«, sagt Detlev Jantzen. Und klingt ein wenig gequält.

Jantzen ist Landesarchäologe in Mecklenburg-Vorpommern. Und seit im vergangenen Jahr bekannt wurde, dass unsachgemäße Lagerung durch die Behörde – vor Jantzens Zeit – zwei erst 2002 ausgegrabene 7000 Jahre alte Ostsee-Einbäume innerhalb weniger Monate zerstört hatte, steht die Bodendenkmalpflege im Nordosten unter Beobachtung.

So erklärt sich auch die Frage nach dem Stein und dem Schimmel: Der Bericht der Gutachterin, die nach der Causa Einbaum im Auftrag des Kultusministeriums die Lager der Denkmalpfleger inspizierte, schlägt neue Wellen.

Dabei geht es um zwei Bunker auf dem Gelände des Schlosses Wiligrad am Schweriner See. Dort lagerten, ohne Licht, Heizung und Lüftung, seit 1992 mehrere tausend Fundstücke aus den Beständen des Schweriner Museums für Ur- und Frühgeschichte, das sich im Burgseeflügel des Schlosses befunden hatte, bis es dort dem Landtag weichen musste. Und wie schon bei den Einbäumen, die vertrocknet sind, weil sie nicht nass gehalten wurden, ist für Jantzen »unverständlich, wie dieser ungeeignete Ort als archäologisches Lager gewählt werden konnte.«

Dennoch fiel diese Entscheidung, laut Jantzen war sie als Provisorium für zunächst ein Jahr gedacht. Doch offenbar wurden die Bunkerdepots anschließend schlicht vergessen. 18 Jahre lang erinnerte sich niemand an die Stücke – und nun scheint es für Teile davon zu spät zu sein.

Das gilt laut Jantzen zumindest für die dendrochronologische Sammlung: Anhand von rückdatierbaren historischen Holzfunden können Forscher viel über frühere Lebensverhältnisse erfahren – nun ist das das hölzerne Archiv vergammelt. Zwar wurden die hölzernen Scheiben allesamt bearbeitet, sagt Jantzen, die wissenschaftlich erforderliche Überprüfbarkeit dieser Ergebnisse sei mit dem Vergammeln der Holzscheiben aber nicht mehr gegeben.

Wie weit die Steinobjekte in den Wiligrader Bunkern die zwanzig Jahre Dunkelheit überstanden haben, ist weniger eindeutig. »Die Steinobjekte waren in Kartons verpackt, die komplett verschimmelt sind«, sagt Jantzen. Und beim Verschimmeln entstehende Säuren könnten mit den Jahrzehnten auch Stein, sogar den harten, aber porösen Granit, angreifen. Wie Objekte, darunter ein 4000 Jahre alter Mühlstein und Ziegel-Formen, die Dunkelkammer überstanden haben, ist noch unklar.

Im heutigen Mecklenburg-Vorpommern hatte die Bodendenkmalpflege vor 1990 eine große Rolle gespielt. Besonders unter Ewald Schuldt, der bis 1980 Chefarchäologe für die drei Nordbezirke war, wurden die Sammlungen systematisch ausgebaut. Auch mit Hilfe von Ehrenamtlichen hatte Schuldt das Land regelrecht umgegraben und Hunderte von Fundstellen erschlossen.

Immerhin soll jetzt die Bergung aus den Problem-Lagern beginnen – auch wenn Jantzen sagt, dass er dafür »noch kein Geld in der Hand« hat. Nach dem Einbaum-Schock wurde vor Jahresfrist der Bau eines neuen Archivs beschlossen. 2015 soll es fertig sein.

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