Zapfenstreich

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 2 Min.

Nachdem er sich auf ziemlich unüberhörbare und nie da gewesene Weise vor 14 Tagen von seinem Arbeitsplatz im Schloss Bellevue entfernte, wird heute der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler nicht etwa abgemahnt – sondern mit dem traditionellen Zapfenstreich auch ganz offiziell verabschiedet. Alle, die sich heute zum Auf-Nimmer-Wiedersehen einfinden, wissen sehr wohl, dass es sich bei diesem Termin nicht nur um einen Abgesang auf Köhler handelt. Symbolisiert das fluchtartige Verschwinden des Staatsoberhauptes doch ganz augenscheinlich den Zustand der herrschenden Politik im Lande. Die einzigen, die das immer noch nicht durchgeholt zu haben scheinen, sind die Koalitionäre. Erst stritten sie wie die Kesselflicker in beinahe jeder Frage und schreckten auch vor verbalen Entgleisungen nicht zurück. Jetzt übertönen sie sich in wechselseitigen Mahnungen, dass der Streit aufhören müsse und versichern, weiter durchhalten zu wollen – wiewohl längst das böse Wort Neuwahlen die Runde macht. Ein klitzekleines vorsichtiges Machtwort der Kanzlerin blieb unerhört. Zumindest von ihrem Vize, dem FDP-Chef. Der nämlich macht das, was er seit Jahren am besten kann – er markiert den großen Max und übt sich in markigen Durchhalteparolen, obwohl längst nicht mehr alle Liberalen bereit sind, auf dieser Westerwelle mitzusurfen. Und schon am Wochenende wartet der nächste Knackpunkt für das hoffnungslos zerstrittene konservative Bündnis: Die abschließenden Beratungen über die Gesundheitsreform. Sollte die Koalition diese Klippe doch noch umschiffen, könnte es am 30. bei der Wahl des Köhler-Nachfolgers zum wirklich großen Zapfenstreich kommen.

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