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Geist aus der Maschine

Vor 100 Jahren wurde der Computer-Erfinder Konrad Zuse geboren

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 4 Min.

Die wohl bedeutendste Innovation des letzten Jahrhunderts nahm 1935 ihren Ausgang im Wohnzimmer einer gutbürgerlichen Familie in Berlin-Kreuzberg. Dort richtete sich der junge Bauingenieur Konrad Zuse zum anfänglichen Entsetzen seiner Eltern eine mechanische Werkstatt ein, um eine vollautomatische Rechenmaschine zu bauen. Auf die Frage, was ihn dazu bewogen habe, gab Zuse später die lapidare Antwort: »Ich war zu faul zum Zahlenrechnen.«

Nach sechsjähriger angestrengter Arbeit hatte der findige Ingenieur sein Ziel erreicht: Am 12. Mai 1941 nahm er in Berlin den ersten programmierbaren Digitalrechner der Welt in Betrieb. Dieser erhielt die Bezeichnung Z3 und war eine Weiterentwicklung des bereits 1937 von Zuse entwickelten mechanischen Rechners Z1, der großenteils aus in Handarbeit gefertigten Schaltblechen bestand. Gleichwohl verfügte schon der Z1 über die wichtigsten Bauteile eines modernen Computers: ein Rechenwerk, einen Speicher und ein Programmwerk, welches die Programme von einem gelochten Kinofilmstreifen ablas, so dass die Notwendigkeit entfiel, sie vorher auf dem Rechner fest zu verdrahten. Erst knapp zehn Jahre später wurde die von Zuse intuitiv angewandte Computer-Architektur von dem US-Mathematiker John von Neumann theoretisch begründet.

1939 ersetzte Zuse die mechanischen Bauteile der Z1 durch elektromechanische Relais, die er für geeignet hielt, die Werte 0 und 1 des dualen Zahlensystems über die Funktionen »ein« und »aus« zu realisieren. Nachdem er sich von der Zuverlässigkeit der Relais überzeugt und den neuen Rechner Z2 bei der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) vorgeführt hatte, begann Zuse mit der Konstruktion der Z3-Maschine. Er wurde dabei von der DVL finanziell unterstützt, denn dort wollte man das Gerät nutzen, um das Flügelflattern bei Flugzeugen zu berechnen.

Das Herzstück des Z3-Rechners bildeten ca. 2000 Telefonrelais, von denen sich 600 im Rechenwerk und 1400 im Speicher befanden. Die Maschine, die fast eine Tonne wog und so groß war wie drei Kühlschränke, konnte die vier Grundrechenarten ausführen und die Quadratwurzel ziehen. Für eine Addition zum Beispiel benötigte sie rund 0,8, für eine Multiplikation etwa 3 Sekunden. Rückblickend wäre die Z3-Maschine von ihrer Rechenleistung her eher mit einem einfachen programmierbaren Taschenrechner zu vergleichen.

Geboren wurde Konrad Zuse als Sohn eines Postbeamten am 22. Juni 1910 in Berlin. Als er zwei Jahre alt war, zog die Familie ins ostpreußische Braunsberg, wo er später auch das Gymnasium besuchte. Sein Abitur legte er mit 17 Jahren in Hoyerswerda ab. Danach studierte er an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg Maschinenbau, Architektur und Bauingenieurwesen. Großen Eifer legte Zuse hier nicht an den Tag und nannte sich selbst ironisch einen »Bummelstudenten«, dem in seiner Freizeit allerlei Erfindungen gelangen. Viele davon, so musste er hinterher leider feststellen, hatten schon andere vor ihm gemacht.

1935 beendete Zuse sein Studium und war als Statiker bei den Henschel-Flugzeugwerken in Schönefeld tätig. Nach einem Jahr gab er diese Stelle wieder auf, um wie eingangs erwähnt in der elterlichen Wohnung den Z1-Rechner zu bauen. Während des Krieges wurde er zweimal einberufen, jedoch nicht an die Front abkommandiert. Stattdessen fand er dank guter Beziehungen erneut eine Anstellung bei den Henschel-Werken, wo er unter anderem an einer Kombination aus fliegender Bombe und Torpedo arbeitete. Zuse war weder aktiver Nazi noch Mitglied der NSDAP. Allerdings versuchte er wiederholt, den NS-Behörden einzureden, dass die neuen Rechner zum deutschen Endsieg beitragen könnten.

Nach dem Krieg machte sich Zuse mit einem Ingenieurbüro im Allgäu selbstständig und gründete 1949 im hessischen Neukirchen die Zuse KG. Dort waren bis zu 1000 Mitarbeiter beschäftigt, die insgesamt 251 Computer herstellten und verkauften. In den 60er Jahren geriet die Firma wegen ihres schnellen Wachstums in finanzielle Schwierigkeiten und wurde 1967 von Siemens übernommen.

Zuse erging es wie vielen großen Erfindern: Die verdiente Anerkennung blieb ihm lange verwehrt. Namentlich in den USA galt der 1944 gebaute, mit Elektronenröhren bestückte Universalrechner ENIAC als erster Computer der Welt. Diese Präferenz war zweifellos auch der Tatsache geschuldet, dass der Z3-Rechner während des Krieges bei einem Bombenangriff zerstört und erst 1961 für Werbezwecke nachgebaut wurde. Darüber hinaus scheiterten alle Versuche Zuses, für seinen »Computer« ein Patent zu erhalten. Der Prozess zog sich durch sämtliche Instanzen, bevor das Bundespatentgericht 1967 entschied, dass auf Grund »mangelnder Erfindungshöhe« das gewünschte Patent nicht erteilt werden könne. Erst in seinen späteren Jahren, als Zuse sich verstärkt seinem Hobby, der Malerei, widmete, wurde er als einer der großen Erfinder des 20. Jahrhunderts gewürdigt. Er starb am 18. Dezember 1995 in Hünfeld bei Fulda.

Heute sind Computer in nahezu allen Bereichen des Lebens zu finden. Und sie könnten, wie einzelne Experten befürchten, in ferner Zukunft sogar die Herrschaft über die Menschheit übernehmen. Zuse wollte von einer solchen Computer-Diktatur nichts wissen. Er träumte vielmehr von einem »Computer-Sozialismus«, sprich von einer Gesellschaft, in welcher es allen Menschen auf Grund seiner Erfindung möglich sein sollte, mit weniger Arbeit ein reicheres Leben zu führen. Im Alter musste er freilich enttäuscht feststellen, dass der Einsatz des Computers die Armut auf der Welt nicht gemildert, sondern die Reichen nur noch reicher gemacht hatte. Und nichts deutet darauf hin, dass sich diese Entwicklung alsbald umkehren könnte.

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