Schwarzer Peter nicht bei Lehrern

Günther Fuchs über Nachzahlungen an Beamte in Brandenburg / Fuchs ist Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Brandenburg

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Etliche verbeamtete Lehrer in Brandenburg haben nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Donnerstag Anspruch auf eine Nachzahlung für Stunden, die sie gar nicht unterrichtet haben. Der Grund: Ihre vor etwa zehn Jahren ausgestellten Ernennungsurkunden waren mit dem einschränkenden Zusatz »in Teilzeitbeschäftigung« versehen. Dies war nicht rechtens. Um wie viele Pädagogen handelt es sich?
Fuchs: Das lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen. Es könnten zwischen 200 und 500 sein, aber hier muss jeweils der Einzelfall geprüft werden. Definitiv haben nicht alle 7500 Kollegen, die zu Teilzeitbeamten ernannt worden sind, Anspruch auf die Nachzahlung, sondern nur jene, die Widerspruch erhoben und Rechtsmittel eingelegt haben. Auch wer seine Klage wieder zurückzog, bekommt nun nichts.

Es steht der Vorwurf im Raum, dass es ein Unding sei, wenn Lehrer erst die angebotene Teilzeitverbeamtung akzeptierten, dann dagegen klagten und nun die Differenz zu einer vollen Stelle gezahlt erhalten, obwohl sie tatsächlich nur Teilzeit arbeiteten.
Das ist zweifellos in der Öffentlichkeit schwer vermittelbar. Trotzdem ist es unredlich, den Lehrern den Schwarzen Peter zuzuschieben. Nicht die Pädagogen haben einen Fehler gemacht. Falsch gehandelt hat das Land Brandenburg. Die rechtlichen Probleme waren von Anfang an bekannt und auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft machte gleich darauf aufmerksam. Es gibt nun einmal keine Teilzeitbeamten, sondern nur vollgültige Beamte, die dann aus freien Stücken entscheiden dürfen, ob sie von sich aus eine Teilzeitbeschäftigung beantragen.

Wollten einige Lehrer Beamte werden, weil sie um ihren Job fürchteten? Schließlich sprach man vor zehn Jahren angesichts eines Rückgangs der Schülerzahlen von 1000 überzähligen Stellen.
Keiner musste Angst haben. Die angestellten Lehrer waren durch Vereinbarungen der Regierung mit der Gewerkschaft vor betriebsbedingten Kündigungen sicher. Niemand hat das Land Brandenburg dazu gezwungen, die vormals angestellten Lehrer zu verbeamten. Das Bildungsministerium warb aber offensiv mit den materiellen Vorteilen des Beamtendaseins und trägt damit die Verantwortung für die jetzt entstandene Situation.

Wie hätte das Land Ihrer Meinung nach verfahren können und müssen?
Es hätte die Kollegen ganz normal verbeamten und mit ihnen besprechen müssen, dass diese dann hinterher freiwillig einen Antrag auf Teilzeit stellen. Ich bin mir sicher, viele Lehrer hätten ein Einsehen gehabt und so einen Beitrag zur Lösung der Probleme geleistet. Wer unbedingt voll arbeiten wollte, den hätte man lassen sollen und können. Es gab schließlich etwas zu tun, es gab immer Unterrichtsausfall. Das Land wollte aber Geld sparen.

SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck hat Ihnen persönlich vorgeworfen, dass Sie jede Landesregierung – gleich welcher politischer Couleur – unfähig nennen.
Diesen Vorwurf habe ich nicht gemacht. Ich übe sachbezogene Kritik und halte mich dabei lediglich an die Wahlprogramme der Parteien und an die Vorstellungen der GEW. Wir wollen Chancengleichheit und längeres gemeinsames Lernen. Diese Messlatte lege ich überall an. Früher redete sich die SPD damit raus, es gehe nicht, weil der Koalitionspartner CDU nicht wolle. Nun sitzt die LINKE mit in der Regierung und es klappt wieder nicht.

Interview: Andreas Fritsche

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