Ein Kiez hält Hof

Das Kultur-Festival »48 Stunden Neukölln« bespielt an diesem Wochenende den gesamten Bezirk

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Kunst erobert für 48 Stunden die Straße.
Die Kunst erobert für 48 Stunden die Straße.

Kennen Sie Louise Kannegießer, die im 19. Jahrhundert mit einer Eierpiekermanufaktur zur Unternehmerin wurde? Oder Eleonore Prochaska, die 1813 als Mann verkleidet im Lützowschen Freikorps gegen Napoleon kämpfte und nach ihrem Tod als »preußische Jeanne d’Arc« verehrt wurde? Wenn nicht, schafft an diesem Wochenende das Kunst- und Kulturfestival »48 Stunden Neukölln« Abhilfe: Da Rixdorf, das heutige Neukölln, in diesem Jahr sein 650-jähriges Bestehen feiert, steht das Festival diesmal unter dem Motto »Erinnerung«.

Rund 700 Veranstaltungen an 350 Schauplätzen laden ein, den Norden Neuköllns vom heutigen Freitag, 19 Uhr, bis Sonntagabend ausgiebig zu erforschen, das meiste kostenlos. Unter dem Oberbegriff »Komplex650« hat das Kulturnetzwerk Neukölln e.V. als Veranstalter eine ungeheure Vielzahl an Kunstprojekten, Ausstellungen, Konzerten, Theater, Tanz, Performances, Lesungen und Aktionen gebündelt, die sich dem Thema Erinnern auf unterschiedlichste Weise nähern. Immer wieder geht es dabei um das Spannungsfeld zwischen Altem und Neuem, in dem sich der Bezirk heute wie früher befindet. So verlief zum Beispiel die Integration der ersten böhmischen Glaubensflüchtlinge ab 1737 ebenso wenig konfliktfrei, wie heute das Zusammenleben der Menschen aus 165 Nationen, die den Schmelztiegel Neukölln ausmachen.

Um die »Spurensuche« zu erleichtern, gliedert sich das Programm in verschiedene Reihen mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten. Dem Thema »Erinnern – Vergessen« widmen sich zwei Ausstellungen in den ehemaligen Räumen des Museums Neukölln in der Ganghofer Str.3 (das Museum ist mittlerweile auf den Gutshof Britz umgezogen): Mit Klanginstallationen, Fotografien und Lesungen werden die Besucher auf Zeitreise geschickt. Weitere Ausstellungen sind in den vielen Galerien überall im Kiez sowie in der ehemaligen Kindl-Brauerei zu sehen. Um Lebens- und Wohnkonzepte im Wandel der Zeit geht es etwa bei »Neukölln hält Hof«, wobei in den Höfen von fünf Wohnanlagen zwischen Rollbergviertel und Schinkestraße spannende Projekte entstanden sind.

Rund 40 Performances sind unter dem Titel »650° – Neukölln hat mehr Horizont« zu sehen, etliche davon auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof und in der Karl-Marx-Straße. Wer die Magistrale einmal aus einer anderen Perspektive sehen will, nutzt eine der original chinesischen, kostenlosen Fahrrad-Rikschas entlang der Karl-Marx-Straße (Sa. 14-22 Uhr) oder nimmt am BergWandern teil (Fr. 19 Uhr, Sa.+So. 12 Uhr, Treffpunkt vor C&A).

In der Reihe »Neukölln Safaris« werden, wie in den letzten Jahren, Führungen für jeden Geschmack angeboten – von der Kunsttour durch den Reuterkiez bis zur Heilpflanzenwanderung auf der Thomashöhe. Oder man erlebt das alte Rixdorf einmal aus der Sicht von zwei Migrantinnen (Fr. 19 Uhr, ab Passage-Kino). Wer Künstler am Ort ihres Schaffens erleben will, ist bei den »Offenen Ateliers« richtig – ein Klassiker des Festivals wie auch das Tanzfestival Bewegte Welten und das Straßenfest Kiez international – beides auf dem Richardplatz. Fußlahme nutzen den kostenlosen Skoda-Limousinen-Shuttle, der auf einem Rundparcours die Festivalkieze verbindet (Sa. 17-21 Uhr), oder lassen sich auf dem Wasser den Wind um die Nase wehen – am Samstag gibt’s auf der »Spreeprinzessin« Musik satt mit dem Projekt Bands on Boats, am Sonntag lesen Autoren auf der »Rixdorf« Texte (Sa. 18-22 Uhr, So. 11-19 Uhr, Abfahrt ab Wildenbruchbrücke).

»Kunst frei!« heißt es jedenfalls am heutigen Freitag ab 19 Uhr, wenn mit einem großen Eröffnungskonzert gleichzeitig die »48 Stunden« eingeläutet und der Geburtstag Rixdorfs begangen wird.
25.-27. Juni,

Infopunkte

Insgesamt sieben Infopunkte sind über das Festivalgebiet verteilt. Hier erhält man nähere Informationen rund um die »48 Stunden Neukölln«:

  • Zentraler Infopunkt: in der Passage, Karl-Marx-Str. 131–133, Telefon 68 24 78 21;
  • Schillerkiez: »TURBULENZEN«, Herrfurthplatz 6, Tel. 62 72 18 89; l Richardplatz: Kreative Gesellschaft Berlin, Hertzbergstr. 1, 0174 / 886 08 66;
  • Reuterquartier: Büro-Galerie, Reuterstr. 31, Tel. 69 59 82 31;
  • Körnerkiez: WerkStadt, Emser
  • Straße 124/Ecke Ilsestraße, Telefon 51 63 48 58;
  • Flughafenkiez: Neckarstr. 5, Telefon 0176 / 48 33 74 55;
  • Kanal in der ehemaligen Toilettenanlage: Wildenbruchstr. / Weigandufer.

Infos unter www.48-stunden-neukoelln.de

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