Dunkle Zeiten im Zweistromland

Iraks Stromminister nach Versorgungsengpässen und Protesten zurückgetreten

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.
Der irakische Erdölminister Hussein al Schahristani hat am Freitag die Sonderzuteilung von Strom für Politiker, hohe Beamte und Botschaften in der »Grünen Zone« eingeschränkt. Damit sollen 250 Megawatt Strom zusätzlich für das überlastete Netz zur Verfügung stehen, erklärte der Politiker in Bagdad. Al Schahristani leitet auch das Ministerium für Elektrizitätswirtschaft, nachdem der bisherige Ressortchef Kareem Waheed zu Wochenbeginn nach massiven Protesten der Bevölkerung gegen die häufigen Stromausfälle zurückgetreten war.

Das irakische Stromnetz wurde 1991 massiv beschädigt. Damals zerstörten Luftangriffe im Rahmen der US-geführten Operation »Desert Storm« (Wüstensturm) zur Befreiung des von Bagdads Truppen besetzten Kuwait gezielt Einrichtungen der Strom- und Wasserversorgung. Solche Angriffe sind nach dem Völkerrecht ein Kriegsverbrechen. Durch enorme Kraftanstrengungen konnten nach 1991 viele der Schäden zwar weitgehend behoben werden, doch wegen der von den Vereinten Nationen verhängten Sanktionen war es Irak 13 Jahre lang verboten, Ersatzteile einzuführen. Wartung und Reparaturen blieben dem Einfallsreichtum der Verantwortlichen überlassen.

Auch vor der Invasion 2003 kannten die Iraker also Stromsperren, doch nie in dem Ausmaß, wie es heute üblich ist. Bei Temperaturen von mehr als 50 Grad Celsius gibt es für sie an guten Tagen alle vier Stunden für zwei Stunden Strom, nicht selten aber vergehen 24 Stunden, ohne dass auch nur ein Lämpchen erglüht. Kein Wunder, dass Ministerpräsident Nuri al Maliki den Rücktritt seines Ministers akzeptierte, doch warnte er auch gleichzeitig davor, sich falsche Hoffnungen zu machen. Es werde keine schnellen Lösungen bei der Stromversorgung geben, so Maliki, »die Krise hat erst dann ihr Ende, wenn die Verträge mit den internationalen Firmen abgeschlossen sind«. Der deutsche Siemenskonzern und die USA-Firma General Electric (GE) sollen das marode Stromnetz Iraks auf Vordermann bringen, was aber bis zu zwei Jahren dauern könne, betonte Maliki.

Das Kabinett setzte laut Regierungssprecher Ali al Dabbagh ein ministerielles Komitee zur Beaufsichtigung der Krise ein. Um die schlechte Versorgungslage im Süden des Landes zu verbessern, hatte das Komitee die nun angekündigte Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz vorgeschlagen, der eigentlich für das Industrieministerium und das Ölministerium vorgesehen war. Regierungseinrichtungen und Wohnungen in der »Grünen Zone« Bagdads genießen bislang bei der Stromversorgung einen Sonderstatus.

Maliki und sein ehemaliger Elektrizitätsminister machten neben dem Bevölkerungswachstum und dem damit verbundenen gestiegenen Bedarf erneut Sabotage und »terroristische Angriffe« auf das Stromnetz für die mangelhafte Leistung verantwortlich. Außenminister Hosjar Zebari warnte hingegen, dass die Proteste der Bevölkerung gegen die schlechte Versorgungslage durch den Streit um die Regierungsbildung zunehmen könnten. Die Demonstrationen seien »eine Warnung«, die ernst genommen werden müsse.

Seit dem Sturz der Regierung von Saddam Hussein 2003 ist es keinem Kabinett gelungen, den eklatanten Strommangel zu beseitigen. Wasserpumpen und Kühlschränke, Aufzüge und Klimaanlagen funktionieren nur stundenweise. Fabriken, Krankenhäuser, Schulen und Universitäten sind auf Generatorstrom angewiesen. Der allerdings ist teuer. Um 24 Stunden lang Strom zu erhalten, zahlt man bei einem der privaten Generatorbesitzer heute bis zu 120 000 Irakische Dinar pro Monat, umgerechnet 84 Euro. Der monatliche Durchschnittslohn aber liegt nur bei etwa 210 Euro. Wer kein Einkommen hat, und das ist die deutliche Mehrheit der Bevölkerung, bleibt ohne Strom. Besitzer von Generatoren gelten als Kriegsgewinnler. Viele meinen gar, es gebe Absprachen zwischen ihnen und dem Ministerium für Elektrizität.

Neben internationalen Hilfsgeldern, die seit 2003 zur Wiederherstellung des Stromnetzes nach Irak geflossen sind, hat die irakische Regierung nach eigenen Angaben etwa 14 Milliarden Euro in den Stromsektor gesteckt. »Am Geld kann es also nicht liegen«, sagt der in Bagdad lebende Salim al Jiboori, der sich fragt, warum nicht schon längst neue Elektrizitätswerke mit den vielen Mitteln gebaut wurden. Er macht »Korruption vom kleinen Beamten bis zum Minister« für die katastrophale Lage verantwortlich. Im Wahlkampf Anfang des Jahres machten alle Kandidaten die schlechte Versorgungslage in Irak zum Thema und gelobten Besserung. Mehr als drei Monate später scheinen die Versprechungen vergessen.

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