nd-aktuell.de / 02.07.2010 / Politik / Seite 14

Bürgerbegehren gegen Star Alive

Streit um Drogeneinrichtung in Hamburg-Altona

Susann Witt-Stahl, Hamburg
Wenn in Hamburg eine Hilfeeinrichtung für Drogenabhängige eröffnet werden soll, reagieren Anwohner schon seit Jahren mit Protesten. Jetzt haben Gewerbetreibende im sonst eher toleranten und multikulturell geprägten Stadtteil Altona sogar ein Bürgerbegehren gestartet. Sie wollen den Umzug der Beratungsstätte Stay Alive aus St. Pauli in die Altonaer Altstadt verhindern.

Auf St. Pauli, nur wenige Meter neben der berühmten Davidwache, besuchen täglich rund 75 Drogenabhängige das Stay Alive. In der Einrichtung des Trägers Jugendhilfe e.V. können sich Junkies unter hygienischen Bedingungen einen Schuss setzen, erhalten medizinische Versorgung und psychologische Beratung.

Doch die Nutzfläche reicht längst nicht mehr aus. »Uns fehlen Räume für Einzelberatungen, viele Kollegen müssen im Keller arbeiten«, sagt Vorstandsmitglied Christine Tügel. Deshalb will sie die Hilfestätte in das leer stehende Gebäude einer ehemaligen Gewürzmühle in der Altonaer Virchowstraße verlagern. Dort soll dann auch die Drogeneinrichtung ABC des gleichen Trägers mit unterkommen.

Doch das Vorhaben läuft den gegenwärtigen Erwartungen vieler Gewerbetreibender und Immobilienbesitzer vor Ort zuwider. Die hatten nämlich auf eine schnelle Aufwertung ihres Quartiers gehofft, weil gleich um die Ecke in der Fußgängerzone der Möbelriese Ikea ein neues Kaufhaus errichten und Kundschaft aus allen Stadtteilen anlocken will.

Furcht vor Umsatzeinbußen

»Allein die Ankündigung einer Verlagerung von Stay Alive hatte für die Virchowstraße zur Folge, dass Investoren konkrete Kaufangebote zurück gezogen haben«, begründet die Initiative ihr Bürgerbegehren. »Auf St. Pauli, wo Stay Alive rausgeht, werden im gleichen Zug die Immobilienpreise kräftig steigen«, erwartet Buchbinderin Kathrin Langenhagen, die zu den Unterzeichnern gehört. Das Viertel hinter der Reeperbahn steht zurzeit bei Investoren hoch im Kurs.

Langenhagen sieht hinter dem Streit um den Umzug auch eine Konkurrenz um Verwertungsinteressen in den beiden Stadtteilen. Sollte der Umzug stattfinden, wird die alte Gewürzmühle zunächst an einen Architekten verkauft, der diese dann an den Träger vermietet. Dies bestätigt auch der Verein Jugendhilfe e.V. Die Buchbinderin Langenhagen wie andere Gewerbetreibende im Umfeld befürchten dann aber Einbußen bei ihren Umsätzen. Die Kundschaft könnte durch die Drogenszene abgeschreckt werden.

»Die Fronten sind verhärtet«, bedauert Kathrin Langenhagen. »Man sollte sich zusammensetzen und nach einer Lösung suchen.« Denn mit dem Streit um den Standort der Drogeneinrichtung werde das Grundproblem nicht gelöst. »Die Alternative wäre, dass der Stoff legal in Apotheken vergeben wird. Dann hätten wir den illegalen Handel und die Beschaffungskriminalität nicht mehr«, sagt sie.

Jetzt sammeln die etwa 100 Aktivisten in Altona Unterschriften. Einen Bürgerentscheid können sie erreichen, wenn sie innerhalb von sechs Monaten 5600 Autogramme auf dem Papier haben. Es ist bereits der zweite Versuch des Trägers, das Stay Alive nach Altona zu verlagern. Vor drei Jahren hatte der Jugendhilfe e.V. auf massiven Widerstand der Nachbarn hin einen solchen Plan wieder aufgegeben.

Und dann steigt die Miete

Schon in den 1990er Jahren haben Anwohner durch Proteste geplante Drogeneinrichtungen in Hamburg mehrfach verhindert. Die Argumente der Gegner wiederholen sich bis heute: Angst vor herumliegenden Spritzen, vor Beschaffungskriminalität und aggressiven Dealern.

Probleme dieser Art gab es in einigen Stadtteilen tatsächlich immer wieder. Auch in den einst alternativ geprägten Quartieren Schanzenviertel und St. Georg fanden im vergangenen Jahrzehnt Auseinandersetzungen wegen Spritzen auf Spielplätzen und Dealern statt, die Passanten belästigten. Doch nachdem Drogeneinrichtungen dort geschlossen und die offene Szene weitgehend vertrieben worden ist, folgte in beiden Stadtteilen eine rasante Steigerung der Immobilien- und Mietpreise. Und zahlreiche Kleinhändler wurden durch diese Aufwertung aus ihren Stadtteilen verdrängt.