• Politik
  • Volksabstimmung in Bayern

Rauchverbot per Volksabstimmung?

Bayern ist das erste Bundesland, in dem die Bürger über den blauen Dunst in Bars und Kneipen entscheiden

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 4 Min.
Verordnen sich die Bayern am Sonntag das strengste Nichtrauchergesetz der Republik? Bei der morgigen Volksabstimmung zeichnet sich ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern eines absoluten Rauchverbotes ab. Die Abstimmung war notwendig geworden, weil die bayerische CSU das von ihr selbst initiierte Nichtraucher-Gesetz immer wieder gelockert hatte.

Sie hatten einst das schärfste Nichtrauchergesetz der Republik. Im Januar 2008 trat in Bayern das bundesweit strengste Rauchverbot in Kraft. In seltener Einmütigkeit hatten sich CSU, SPD und Grüne auf ein umfassendes Verbot geeinigt. Die schwarz-rot-grüne Nichtraucherallianz verbannte den blauen Dunst nicht nur aus Behörden, Schulen und Krankenhäusern. Das totale Rauchverbot galt zudem auch für Gaststätten und Bierzelte. Einziges Schlupfloch: Das Gesetz galt nicht für geschlossene Gesellschaften. Deshalb erklärten viele bayerische Wirte ihre Kneipen kurzerhand zu »Raucherclubs«. Selbst Stammgäste mussten einen symbolischen Mitgliedsbeitrag zahlen und bekamen dafür einen »Clubausweis«.

Doch das nur scheinbar strenge Rauchverbot hatte nicht lange Bestand. Am 2. März 2008 musste die CSU bei den Kommunalwahlen herbe Verluste einstecken und fuhr ihr schlechtestes Ergebnis seit 1966 ein. Man suchte händeringend nach Erklärungen für das Debakel. Einige Parteivertreter vermuteten, dass viele der rauchenden CSU-Anhänger der Wahl fern geblieben seien, weil sie sich durch die rigorose Verbotspolitik vor den Kopf gestoßen fühlten. In der Münchener Staatskanzlei schrillten die Alarmglocken, denn die Landtagswahlen standen vor der Tür. Umgehend wurde das Rauchverbot gelockert. Das bayerische CSU-Kabinett beschloss bereits am 11. März, das Rauchen in Bier- und Festzelten noch bis zum Ende des Jahres zu genehmigen. Diese Lockerung sollte aber nur für das Jahr 2008 gelten. Der damalige SPD-Oppositionsführer Franz Maget tobte: »Jetzt soll in Bierzelten wieder geraucht werden dürfen – aber nur bis zur Landtagswahl im Herbst 2008. Dann soll es wieder verboten werden«.

Dabei spielte der Streit um Rauchverbote für die Wähler kaum eine Rolle. Steigende Arbeitslosenzahlen und die verfehlte Schulpolitik gaben den Ausschlag für das Debakel bei den Landtagswahlen im Oktober 2008. Die CSU verlor mehr als 17 Prozent und büßte damit ihre absolute Mehrheit ein. So war man auf eine Koalition mit den Raucherfreunden von der FDP angewiesen. 2009 wurde das Nichtrauchergesetz dann endgültig »liberalisiert«. Fortan durfte in Festzelten, kleinen Bierstuben und Nebenräumen größerer Gaststätten wieder nach Herzenslust geraucht werden. Allerdings war die Lockerung nicht mehr als ein symbolischer Akt, denn nur wenige Kommunen hatten bis dato das Rauchverbot wirklich durchgesetzt. Die Furcht vor dem Zorn der rauchenden Wähler war stärker. Zudem scheuten viele Gemeinden die Kosten für die Kontrolle der Kneipen und Wirtshäuser.

Doch der Widerstand gegen dieses gesundheitsschädliche Laissez faire formierte sich. Ausgerechnet die kleine, nicht einmal im Landtag vertretene Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) startete im April 2009 ein Volksbegehren »für echten Nichtraucherschutz«. Demnach soll in Gaststätten, Bars und Diskotheken des Freistaats wieder ein »totales Rauchverbot« gelten. Nicht einmal abgetrennte Rauchernebenräume will man den Nikotinsüchtigen zugestehen. Kaum jemand rechnete mit einem Erfolg des Volksbegehrens. Immerhin liegt das erforderliche Quorum in Bayern bei 950 000 Unterschriften. Doch zur großen Überraschung aller unterschrieben rund 1,3 Millionen Bürger den Antrag der ÖDP. Somit erzwangen die Nichtraucher eine Volksabstimmung.

Am morgigen Sonntag sind die 9,4 Millionen wahlberechtigten Bayern an die Urnen gerufen. Sollten sie mehrheitlich für das Gesetz stimmen, träte es ganz automatisch am 1. August in Kraft. Neuesten Umfragen zufolge zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Nach einer von den bayerischen Wirten in Auftrag gegebenen Umfrage wollen 76 Prozent der Bürger auch tatsächlich abstimmen. Davon unterstützen 48 Prozent den Gesetzentwurf für ein absolutes Rauchverbot, während 49 Prozent strengere Gesetze ablehnen. Auch die Raucherlobby aus Wirten, Brauern und Tabakindustrie hat sich formiert und rührt nun eifrig die Werbetrommel. Ihr Aktionsbündnis »Bayern sagt nein« ließ am Freitag mitteilen, dass der Nichtraucherschutz mit der geltenden Regelung gut funktioniere. Bündnis-Sprecher Franz Bergmüller rief die Wähler auf, gegen ein totales Rauchverbot zu stimmen. »Gehen Sie zur Wahl und erteilen Sie der Verbotspolitik mit einem ›Nein‹ bei diesem Verbotsentscheid eine klare Absage.«

Der Riss zwischen Rauchern und Nichtrauchern zieht sich auch durch die politische Landschaft des Freistaates. FDP und eine Mehrheit bei CSU und Freien Wählern wollen die lockeren Regel beibehalten, während SPD und Grüne für einen strengeren Nichtraucherschutz plädieren. Allerdings hat die in München regierende rot-grüne Rathaus-Koalition bereits angekündigt, dass auf dem Oktoberfest weiter geraucht werden dürfe. CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer hat aus den Fehlern seiner Parteifreunde gelernt und vermied bislang Stellungnahmen zum Thema. Der Volksentscheid, so hofft der Landesvater, »wird eine befriedende Wirkung in der Gesellschaft haben. Und dann is´ a Ruh!«

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal