Ohne Gesichtsverlust

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine gute Nachricht für alle: Kubas Regierung lässt 52 Oppositionelle frei. Zweifel daran gibt es weder bei Spaniens Außenminister Moratinos noch Havannas Erzbischof Ortega, nach deren Treffen mit Staatschef Castro die Begnadigungen verkündet wurden, und offenbar auch nicht bei den Widerständlern selbst. Das Gesprächsergebnis ist ein Befreiungsschlag im Wortsinne für die Betroffenen, kann aber auch politisch zu einem solchen werden. Den drei genannten Personen darf man unterstellen, dass sie dies wünschen.

Offenbar hat auch Guillermo Fariñas, der seit Monaten im Hungerstreik befindliche Oppositionelle aus Santa Clara, diese Botschaft aus Havanna so interpretiert. Die kubanische Führung hat ihm spät, aber nicht zu spät eine schmale Brücke gebaut, die Fariñas nun wohl bereit ist zu betreten. Dies heißt vermutlich nicht, dass er weniger entschlossen ist, für seine Überzeugungen – man stehe dazu, wie man will – bis zum Äußersten zu gehen. Doch wenn Fariñas jetzt erklärt, sein Todesfasten nach den ersten Freilassungen beenden zu wollen, dann in der offensichtlichen Überzeugung, dies ohne politischen Gesichtsverlust tun zu können.

Das darf auch die andere Seite, also die Regierung Castro, für sich in Anspruch nehmen, und deshalb ist das Wie des eingangs Angesprochenen vermutlich doch nicht für alle eine gute Nachricht. Jedenfalls nicht für die Protagonisten des sogenannten Gemeinsamen Standpunktes der EU. Dies ist jene 2003 – nach den harten Urteilen gegen die nunmehr Begnadigten – von Brüssel beschlossene Linie, die Havanna auf den Knien sehen wollte: mit Boykott, Isolation und so ziemlich allem unterhalb des militärischen Drucks, was auf der Klaviatur der politischen Bosheiten so gespielt werden kann. Manche EU-Regierungen, zum Beispiel die Nachlassverwalter der Samtenen Revolution aus Prag, haben nie verhehlt, dass sie sich die Sprache der EU gern rauer gewünscht hätten.

Sie geben aber den Ton in der EU nicht an in Sachen Kuba, was im Stillen wohl selbst von dessen Dissidenten begrüßt wird. Auch den Stellungnahmen des kubanischen Klerus ist zu entnehmen, dass er an rein provokativen Auftritten wie vor Jahren von tschechischen Politikern in Kuba kein Interesse hat. Vielleicht trägt das jetzige Arrangement dazu bei, die Dünnhäutigkeit der kubanischen Führung zu mildern und zu differenzierteren Reaktionen gegenüber Meinungen aus dem Ausland zu finden. Denn zwischen Fragen, Unverständnis und offener Feindschaft liegen beinahe alle Welten dieser Zeit. Eine der Stärken der kubanischen Revolution war immer ihre Lernfähigkeit, auch in kleineren Dingen. Nur ein Beispiel: Heute weiß man in Havanna, dass es seinerzeit nicht das Klügste war, auf die kleine diplomatische Tolpatschigkeit des grünen Staatsministers Volmer, der die Haftbedingungen von Dissidenten kritisierte, mit der gleichen Schärfe zu reagieren wie bei der erwähnten Aktion der beiden Tschechen. Die Beziehungen zur EU hat das seinerzeit vereist. Dazu aber sind sie zu wichtig, auch für Kuba.

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