Beratung in der Box

Unter Konkurrenzdruck suchen Apotheken nach neuen Vertriebswegen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.
Auch die Apotheker sehen sich durch Sparmaßnahmen der aktuellen Gesundheitsreform bedroht. Die vorgesehenen Änderungen beim Großhandel etwa könnten ihre Gewinne reduzieren. Zudem sinken die Margen bei den rezeptfreien Produkten. Auch durch den wachsenden Versandhandel via Internet verlieren die traditionellen Anbieter Marktanteile.

Patienten haben seit einiger Zeit unterschiedliche Möglichkeiten, an ihre Arzneien zu kommen: Wer selbstverständlich im Internet unterwegs ist und für den Rezeptversand einen Briefkasten gleich um die Ecke hat, kann Medikamente oft preiswerter über eine Versandapotheke bestellten – allerdings ohne direkte Beratung. Für Menschen, die das nicht können und weit entfernt von der nächsten Apotheke leben, kann es kompliziert werden, besonders wenn sie im ländlichen Raum wohnen und niemandem ihr Rezept zum Einlösen anvertrauen wollen.

Abhilfe verspricht die CoBox AG aus dem hessischen Waldsolms. Sie entwickelte eine Videoapotheke, die etwa im Umfeld ärztlicher Einrichtungen installiert werden könnte. In einer Kabine – innerhalb oder außerhalb von Gebäuden – könnten die Kunden per Konferenztechnik mit einem Mitarbeiter ihrer regionalen Apotheke in Kontakt treten. Dieser erscheint per Knopfdruck lebensgroß auf einem HD-Bildschirm. Der Kunde kann sein Rezept einscannen, es wird später im Auftrag der Apotheke abgeholt. Bezahlt werden sowohl die Zuzahlungen als auch rezeptfreie Einkäufe per ec-Karte direkt in der Box. Die Apotheke liefert nach der Prüfung des Rezeptes direkt nach Hause.

Einige Einschränkungen gibt es jedoch für dieses Modell: Die jeweilige Apotheke muss als Versandapotheke zugelassen sein. Aktuell sind das zehn Prozent aller Arzneimittelhändler. Die Videofiliale kann nur zu den Apothekenöffnungszeiten genutzt werden. Außerdem darf ein bestimmter Abstand – in Hessen 15 Kilometer – zur »Mutterapotheke« nicht überschritten werden. Wie nah eine CoBox zur nächsten Konkurrenzapotheke liegen darf, ist noch Länderentscheidung. Das vertreibende Unternehmen strebt ein bundeseinheitliches Zulassungsverfahren an. Ab 15 Kunden pro Werktag lohnt sich die Investition. Sieben Kabinen stehen bereits in Hessen, 20 neue Standorte werden gerade erschlossen. 70 Apotheker bundesweit verhandeln derzeit über die Videofiliale. Erfolgreich installiert hat die CoBox AG die Idee schon in der Banksparte. Dort sind etwa 100 Kabinen für die Videoberatung in Betrieb.

Ende Juni entschied das Bundesverwaltungsgericht gegen die Abgabe rezeptpflichtiger Medikamente an Terminals. In diesem Zusammenhang wurde auch bekräftigt, dass der Apotheker ein Rezept unmittelbar abzuzeichnen hätte und eine Beratung per Videotelefon nicht ausreichend sei, jedenfalls nicht durch externe Servicecenter. Da bei der CoBox die Beratung nur durch das Apothekenpersonal während der regulären Öffnungszeiten stattfindet, befürchtet der Anbieter keine Einschränkungen.

Die Apothekerverbände zeigen sich recht ablehnend gegenüber dem Konzept und präferieren weiterhin die inhabergeführte, wohnortnahe Apotheke. Andere Kritiker, darunter die GKV-Spitzenverbandsvorsitzende Doris Pfeiffer, sprechen von ohnehin zu vielen Apotheken in Deutschland. Deren Gewinnspannen seien so groß, dass sich mehr Geschäfte halten könnten, als eigentlich benötigt würden.

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