Ridvan Kurum – der Chef

Vom Flüchtling zum Geschäftsinhaber in Kreuzberg

  • Oliver Matz
  • Lesedauer: 2 Min.

Der ältere Herr schiebt sein Fahrrad in den Fahrradladen in Kreuzberg. Ridvan Kurum, der 49-jährige Inhaber des Geschäfts, wechselt gerade den Schlauch am Rad eines Stammkunden. Lächelnd lässt er von seiner Arbeit ab und kommt auf den Mann zu. Es sind die Bremsen, die nicht richtig funktionieren. Ridvan testet sie: »Kein Problem, die Seile müssen nur neu gespannt werden.« Sofort macht er sich an die Arbeit. Ein kurzes Nachziehen der Bremsseile genügt, und drei Minuten nach Ankunft kann der Mann seine Tour fortsetzen.

Die sofortige Erledigung von Reparaturen – auch ohne Termin – und Freundlichkeit begründen Ridvans Erfolg. Die Kunden fühlen sich wohl hier. Akkurate fachkundige Arbeit und fast familiäre Atmosphäre zeichnen den Laden aus. Es ist Ridvan anzumerken, dass hier ein Mann mit Leidenschaft bei der Arbeit ist. Dabei schien sein Lebensweg zum Fahrradhändler nicht vorgezeichnet zu sein.

Der im Dezember 1960 in der südlichen Türkei geborene Ridvan war in seiner Heimat politisch aktiv. Als Antifaschist und linker Aktivist für die Rechte von Minderheiten konnte er dem im September 1980 stattfindenden Militärputsch und der drohenden Verhaftung durch die Putschisten gerade noch entkommen. Während Tausende linker Genossen und Mitkämpfer in den türkischen Gefängnissen gefoltert und viele ermordet wurden, gelangte Ridvan im Herbst 1980 nach Deutschland. Der 19-Jährige besaß keinerlei Deutschkenntnisse. Nach dem Besuch einer Sprachschule konnte er 1982 mit dem Studium von Geschichte und Politik beginnen. Finanzielle Probleme zwangen ihn, das Studium abzubrechen und sich mit Jobs wie Zeitungsausträger durchzuschlagen.

Nach zehn Jahren Hilfsarbeitertätigkeit begann Ridvan 1993 eine IHK-Ausbildung zum Fahrradhändler, die er 1995 erfolgreich abschloss. Durch Fleiß und Sorgfalt gelang es ihm bis zum Filialleiter für Fahrradhandel aufzusteigen. 2004 gründete er sein Geschäft in der Kreuzberger Katzbachstraße.

Hinter der Passion für die Reparatur von Fahrrädern steht auch ein politisches Bekenntnis zum Fahrrad und damit zum Umweltschutz. »Jeder, der ein Fahrrad fährt, ist ein Gewinn für die Umwelt. Ich selbst fahre Fahrrad, meine Frau und mein Sohn fahren ebenfalls Fahrrad.« Es ist für Ridvan unvorstellbar, mit etwas anderem als Fahrrädern zu arbeiten.

Radhaus Kreuzberg, Katzbachstraße 17, Tel: 788 99 98 92.

info@radhaus-kreuzberg.de

Geöffnet: Mo.-Fr.: 11-19 und Sa: 10-16.

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