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Der rote Faden der Integration

Der »Schneiderkurs am Kottbusser Tor« dient Migrantinnen und Deutschen als Begegnungsstätte

  • Nissrine Messaoudi
  • Lesedauer: 3 Min.

Nähen verbindet nicht nur Stoffe, sondern auch Menschen. Das trifft zumindest auf die Besucher des »Schneiderkurses am Kottbusser Tor« zu. Das Atelier in Kreuzberg ist klein und überschaubar. Rechts und links stehen insgesamt drei Nähmaschinen, in der Mitte sind mehrere Tische zusammengeschoben, um den acht Frauen eine Arbeitsfläche zu bieten. Dahinter steht ein Bügelbrett, um das Geschaffene gleich in Form zu bringen und anzuprobieren.

Das Projekt gibt es bereits seit fünf Jahren. Initiiert hat es die Kreuzbergerin Marta Ladwig. »Ich habe beobachtet, dass die Mäntel bei vielen älteren Migrantinnen einige Zentimeter zu lang und deswegen zum Teil unten nass oder schmutzig waren. Dann kam mir die Idee für den Schneiderkurs«, erzählt Ladwig. Das Projekt sollte eine Begegnungsstätte für alle Frauen aus dem Kiez werden, die zwar Nachbarinnen sind, dennoch kaum in Berührung kommen.

»Ich komme schon seit fünf Jahren hier her, es macht mir großen Spaß«, sagt Nasani Salah-Nouri. Von dem Kurs erfahren hat sie durch eine Nachbarin. Gelernt hat die 41-Jährige seitdem viel. »Hier wird nur Deutsch gesprochen, deswegen haben sich meine Sprachkenntnisse verbessert. Schneidern kann ich jetzt auch viel besser als früher«, versichert die Irakerin. Besonders schätzt sie das Miteinander und das gegenseitige Respektieren verschiedener Kulturen. Damit sie während des Kurses nicht auf ihr Gebet verzichten muss, hat ihr Marta Ladwig eigenhändig einen Gebetsteppich gekauft. »Die Frauen kommen her und schenken mir ihr Vertrauen. Da sollen sie sich hier zu Hause fühlen«, so Ladwig.

Damit nicht nur Knöpfe angenäht oder Hosen gekürzt werden, helfen Bärbel Schikowski und Barbara Schmelzer-Ziringer bei komplizierteren Anfertigungen. Momentan sei viel zu tun, die Vorbereitungen für eine im November geplante Modenschau laufen auf Hochtouren. Hinzu kommt, dass der sonst montags und mittwochs stattfindende Kurs wegen des Fastenmonats Ramadan im August ausfällt.

Finanziert wird das Projekt vom Quartiersmanagement. Trotzdem werden Spenden benötigt. Große Unterstützung bekomme der Kurs vom Kompetenzzentrum Kreuzberg, das unentgeltlich bürokratische Aufgaben übernimmt, und auch von Kiezbewohnerinnen. »Deutsche Seniorinnen spenden vor allem Stoffe. Das entlastet viele Besucher, z. B. Flüchtlinge, die dafür kein Geld haben«, weiß Ladwig.

Ansonsten bringt jeder seinen Stoff mit und kreiert mit Hilfe von Mustern, was Frau wünscht. Nourya Dawud arbeitet zur Zeit an einer Bluse. Den Kurs empfindet die Kurdin aus Irak in jeder Hinsicht als bereichernd. »Vokabeln wie Saum oder Transparentpapier habe ich nicht während meines Sprachkurses gelernt, sondern hier.« Außerdem sei es gar nicht leicht, langärmlige Blusen zu finden, die die Kopftuch tragende Frau jedoch benötigt. »So kann ich mir meine Sachen nach meinem Geschmack anfertigen, und es ist zudem noch günstiger.«

Wie es im nächsten Jahr mit dem Schneiderkurs weitergeht ist unklar, denn die Gelder sind knapp. Marta Ladwig denkt jedoch nicht ans Aufgeben. Bisher habe es mit viel Mühe immer geklappt.

Kieztreff, Kottbusser Straße 3, Innenhof, Berlin-Kreuzberg

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