Folter und Vergewaltigung

Polizeiwillkür gegen Sexarbeiter in Kambodscha weiter großes Problem

  • Michael Lenz, Phnom Penh
  • Lesedauer: 3 Min.
Transsexuelle und Prostituierte müssen in Kambodscha ständig um ihre Gesundheit oder gar ihr Leben fürchten: Behörden und Polizei verletzen ihre elementarsten Menschenrechte.
Sou Sotheavy kämpft für die Rechte von Sexarbeitern.
Sou Sotheavy kämpft für die Rechte von Sexarbeitern.

»Das ist doch nichts Neues.« Mit dieser lapidaren Stellungnahme reagierte Kambodschas Innenministerium auf den kürzlich in Phnom Penh vorgestellten Report der Menschenrechtsorganisation »Human Rights Watch« (HRW) über Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und Beamte der Sozialbehörde gegen Sexworker. Sou Sotheavy ist empört. »Wenn das nichts Neues ist, warum tut man dann nichts dagegen«, fragt die Streiterin für die Rechte von Transsexuellen und Sexworkern.

Sou Sotheavy hat selbst erfahren, wie alt die Missachtung der Menschenrechte gegenüber Sexworkern und Transsexuellen in Kambodscha ist. Die 69-jährige transsexuelle Frau hat das Kambodscha Sihanouks, Lon Nols, der Roten Khmer, der vietnamesischen Besatzung und der Nachkriegszeit erlebt. Immer wieder musste sie zum Überleben ihren Körper hergeben. Manchmal gegen Geld, manchmal wurde sie vergewaltigt. So wie von Kadern der ultra-maoistischen Roten Khmer, denen sie sexuell zu Diensten sein musste, um als Gefangene in einem der Lager etwas zu essen zu bekommen.

Viel hat sich seitdem für Prostituierte und Transsexuelle nicht verändert. Sexarbeiterinnen seien auf Polizeirevieren und in »Sozialanstalten«, in die sie ohne Haftbefehl gesperrt würden, Folter, Schlägen, Erpressung und Vergewaltigungen ausgesetzt, heißt es im HRW-Report »Willkürliche Inhaftierungen und andere Menschenrechtsverletzungen von Sexarbeiterinnen in Kambodscha«.

Die Zahl der Sexarbeiterinnen in Phnom Penh nimmt zu. »Transsexuellen bleibt keine andere Möglichkeit, um Geld zu verdienen. Sie werden von ihren Familien verstoßen und von der Gesellschaft diskriminiert«, sagt Sou Sotheavy. Die International Labour Organisation (ILO) kennt noch einen anderen Grund: die weltweite Krise, die zu Entlassungen in Kambodschas Textilfabriken führte. Manche arbeitslose Frauen sähen in der Prostitution den einzigen Ausweg, heißt es in einer Studie der ILO.

Die HRW weist den USA und der EU, die Ausbildungsprogramme der kambodschanischen Polizei unterstützen, eine Mitverantwortung für die Menschenrechtsverletzungen zu. »Trotz der intensiven Polizeiausbildung setzen sich die Missbrauchsfälle fort – selbst in Einheiten wie der Spezialeinheit zur Bekämpfung des Menschenhandels, deren Ausbildung von internationalen Gebern gefördert wird«, sagte Elaine Pearson, HRW-Asienexpertin. Sie fordert: »Die Geberländer sollen ihre Zuwendungen auf den Prüfstand stellen.«

Darüber hinaus appellierte Pearson an Kambodschas Regierung, mit Sexarbeitern und Nichtregierungsorganisationen in Dialog zur Reform des umstrittenen Gesetzes gegen Menschenhandel zu treten. Die Polizei nutze dieses Gesetz zur Rechtfertigung der Gewalt. »Wir können keine Aidsaufklärungsveranstaltungen mehr durchführen. Würden wir das machen, würden wir auf Grund des Gesetzes gegen Menschenhandel wegen Förderung der Prostitution verhaftet«, klagt Sotheavy, die auch eine Organisation für die Aidsaufklärung Transsexueller und Sexarbeiterinnen gegründet hat, und fügt hinzu: »Das Gesetz wird nicht gegen Menschhändler, sondern die Opfer des Menschenhandels eingesetzt.«

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