Kabarett und Drama für alle

Theaterloge Berlin organisiert Tickets für Geringverdiener und Arbeitslose

Die Kulturloge will leere Plätze füllen.
Die Kulturloge will leere Plätze füllen.

In den letzten drei Monaten hat Angela Meyenburg immer wieder die Kulturloge erklärt: »Sie funktioniert nach dem Prinzip der Berliner Tafel. Nur dass wir kein Brot und Kartoffeln verteilen, sondern freien Eintritt zu Theaterstücken und Konzerten«, sagt sie jedes Mal. Veranstalter erklären sich bereit, Plätze, die ohnehin leer bleiben würden, der Kulturloge zu überlassen. Die reicht die Tickets weiter an Geringverdiener und Arbeitslose.

Mit dem Beginn des Projekts ist Meyenburg zufrieden: »Wir starteten eine Werbekampagne, um bekannter zu werden.« Zusammen mit dem Stadtteilverein Tiergarten hat die Kulturloge angefangen, ein Netzwerk zu spinnen und Partnerschaften mit Veranstaltern sowie sozialen Einrichtungen zu schließen. Über 1500 Bedürftige haben sich bislang gemeldet. Für sie konnten 1200 Plätze vermittelt werden.

Zuletzt hat das Kabarett-Theater Distel ein Kontingent von 30 Karten für die Vorstellung »Das Guido-Prinzip« zur Verfügung gestellt; Mitarbeiter der Kulturloge rufen daraufhin die Interessenten an. »Der persönliche Kontakt ist wie eine Einladung; damit schaffen wir eine Verbindlichkeit«, sagt Meyenburg. Die Besucher kommen über die Gästeliste in die Vorstellung und brauchen an der Kasse lediglich ihren Namen nennen.

Auch der Heimathafen Neukölln vergibt regelmäßig fünf mal zwei Tickets an Bedürftige. »Es kommen nicht die typischen akademischen Theatergänger«, meint Nicole Hasenjäger vom Heimathafen, der seinem Anspruch, ein Volkstheater zu sein, einen Schritt näher kommt. »Das ist ein Lückenschluss«, findet Hasenjäger – für eine Bühne mitten im sozialen Brennpunkt sei das wichtig.

Wer lediglich über die Grundsicherung des Jobcenters verfügt, hat eigentlich kein Geld für Vergnügungen übrig. Angela Meyenburg sieht darin eine Gefahr, dass die Armen dauerhaft vom kulturellen Leben ausgeschlossen werden; dies habe weit reichende Folgen: Was die Erwachsenen vorleben, sei maßgebend für die Entwicklung von Kindern. »Schulprojekte verpuffen, wenn die Kinder in ihrem familiären Umfeld verkümmern.« Meyenburg, selbst Mutter eines zweijährigen Sohnes, opfert ihre Freizeit für die Kulturloge. Sie arbeitet ehrenamtlich, wie die meisten ihrer 25 Helfer. Die Unkosten für das Engagement deckt der Fonds Soziokultur.

Bislang sind es vor allem private Veranstalter, die bei der Kulturloge mitmachen. »Die öffentlichen Häuser können ihre Tickets nicht einfach weggeben«, sagt Brigitte Lange, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. In öffentlichen Schauspielhäusern bekommen Sozialschwache Restkarten für drei Euro, wenn sie an der Abendkasse ihren Berlinpass vorzeigen. Viele Armen fühlen sich in dieser Situation einmal mehr daran erinnert, dass sie die Gescheiterten sind. Brigitte Lange weiß um diesen faden Beigeschmack. Der Nachweis der Bedürftigkeit gehöre nicht dorthin, findet auch Meyenburg. Bei der Kulturloge erfolge die einmalige Registrierung diskret im Büro. Sie betont, dass ihr zivilgesellschaftliches Netzwerk keine Konkurrenz zum Berlinpass des Senates sein soll, sondern eine Ergänzung.

Für Nicole Hasenjäger ist die Kulturloge eine willkommene Gratiswerbung: »Wer einmal die Luft im Heimathafen geschnuppert und einen schönen Abend verbracht hat, kommt auch wieder.« Bianka Thielke vom Kabarett »Die Wühlmäuse« legt wert auf ein volles Haus mit einer guten Atmosphäre. Den Künstlern falle es dann leichter, in einen Dialog mit dem Publikum zu treten. Für Angela Meyenburg ist diese Resonanz ein Beweis, dass sich Gratiskarten auch aus unternehmerischer Sicht auszahlen.

Informationen im Internet unter: www.kulturloge-berlin.de oder unter Tel.: 28 86 73 00

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