Kirchen sehen ihre Privilegien in Gefahr

Kürzung staatlicher Zuwendungen in den Ländern ist eine Idee, die alte Reflexe wachruft

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Die beiden großen christlichen Kirchen geraten in Unruhe. In vier Bundesländern wird dem Vernehmen nach darüber nachgedacht, die staatlichen Zuwendungen an sie zu kürzen. Es geht um erkleckliche Summen.

Bielefeld/Düsseldorf (epd/ND). Fast alle Bundesländer zahlen an die beiden großen Kirchen jährliche Dotationen, die in Staatskirchenverträgen geregelt sind. Mehrere Landespolitiker hatten Verhandlungen mit der evangelischen und der katholischen Kirche über die Kürzung von Zuschüssen gefordert. Im Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« hatte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki erklärt, die schwarz-gelbe Landesregierung wolle die vertraglich festgesetzten Zuwendungen um 10 bis 15 Prozent senken. Ähnliche Stimmen wurden im Saarland, in Brandenburg und in Niedersachsen laut.

Kirchensold dank Steuerzahler

Die westfälische Kirche erhält nach eigenen Angaben 1,7 Millionen Euro für die Besoldung von aktiven Pfarrern und Ruheständlern. Hinzu kommen rund 1,9 Millionen Euro als Zuwendungen für landeskirchliche Aufgaben in den Bereichen Bildung, Hochschulen für Kirchenmusik, Studierendenpfarrämter oder Landeskirchenamt. Die Kirche weist darauf hin, dass die staatlichen Zuwendungen einen Anteil von unter einem Prozent der Kirchensteuereinnahmen ausmachen, die im Jahr 2009 rund 430 Millionen Euro betrugen.

Von fast 460 Millionen Euro ist die Rede, die die Bundesländer für die Kirchen berappen, darunter Zuwendungen für die Gehälter vom Bischof bis zum Kardinal, vom Pfarrer bis zum Küster. In der rheinischen Kirche betrugen die Staatsleistungen 2009 insgesamt rund 10,6 Millionen Euro. Von Rheinland-Pfalz erhält die rheinische Kirche mit 6,19 Millionen Euro den größten Anteil, der ausschließlich für die Pfarrbesoldung verwendet wird. Von Nordrhein-Westfalen fließen etwa 3,5 Millionen Euro, davon zwei Millionen für sogenannte kirchenregimentliche Zwecke, der Rest für die Pfarrbesoldung. Hessen zahlt rund 982 000 Euro. Vom Saarland erhält die rheinische Kirche keine Dotationen.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte erklärt, zu Gesprächen mit dem Staat bereit zu sein. EKD-Sprecher Reinhard Mawick merkte zugleich an, dass es sich bei den Zuschüssen nicht um staatliche Geschenke an die Kirche, sondern um Rechtsverpflichtungen handele. Einige der Rechtsverpflichtungen seien noch in den 1990er Jahren mit den neuen Bundesländern zur Regelung älterer Rechtsverhältnisse vereinbart worden. »Für eine Ablösung der Staatsleistungen selbst wäre ein Bundesgesetz Voraussetzung.«

Der Staatsrechtler Axel von Campenhausen schätzte die Chancen in einem Gespräch mit epd gering ein, die staatlichen Zahlungen an die Kirchen zu kürzen. Die politische Umsetzung dieser Forderung einzelner Landespolitiker sei äußerst schwierig, sagte Campenhausen am Dienstag dem epd. Das setze Änderungen der Verträge voraus, die zwischen den Kirchen und den Bundesländern seit 1955 abgeschlossen wurden. In diesen Staatskirchenverträgen gebe es sogenannte Freundschaftsklauseln, wonach Korrekturen wie etwa Mittelkürzungen nicht einseitig vorgenommen werden, sondern nur in neuen Verhandlungen.

Ansprüche aus verflossenen Jahrhunderten

Kirchenvertreter weisen zudem auf ältere rechtliche Ansprüche der Kirchen hin. Die staatlichen Zahlungen seien ein Ausgleich für den Entzug kirchlicher Güter zur Zeit der Reformation und Enteignungen im Zusammenhang mit der französischen Revolution. Die Argumente Campenhausens gehen noch weiter. Die finanziellen Zuwendungen des Staates an die Kirchen trügen auch dazu bei, »dass wir religiösen Frieden haben«, argumentierte der Rechtswissenschaftler und langjährige Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland. Kommentar Seite 8

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