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Die Klasse der Malklasse Ronald Paris

Kunstflügel Rangsdorf: Sommerausstellung

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 4 Min.
Andrea Ackermann: »Rossnes«, 2007, Aquarell
Andrea Ackermann: »Rossnes«, 2007, Aquarell

Der kleine Pavillon in der Rangsdorfer Seebadallee birst mal wieder vor künstlerischer Potenz. Galeristin Gerlinde Förster lässt das Ergebnis der Entwicklung der Malklasse Ronald Paris Revue passieren. Und neun Studentinnen und drei Studenten der neunziger Jahre beweisen, welchen Rang ihre Leistungen heute haben. Paris ist seit 25 Jahren Bürger des Ortes. Der erst spät ins Lehramt an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle berufene Professor ist bekannt für seine ehernen Prinzipien schöpferischer Disziplin. Er pflegt sie beim Bewerten eigener oder fremder Arbeiten kompromisslos durchzusetzen. Offenbar aber hat seine Professionalität ganz verschiedenartige Temperamente und Handschriften in ihrer Entwicklung begünstigt. Und zwar unabhängig von der immerhin zur Nachahmung verführenden Ausdrucksweise des Meisters selbst.

Lehren und Lernen von Kunst hat immer eine handwerkliche und eine geistige Dimension. Handgriffe und Handreichungen allein bleiben stumm und plump, wenn der belebende Atem künstlerischer Ausstrahlung ausbleibt. Genau das können unsere Kunstakademien fördern. Für die ästhetischen Kommerz-Surrogate, die unsere Läden und Galerien, ja inzwischen sogar Museen überschwemmen, wird keine akademische Bildung benötigt. Dumm gemacht, dumm machend, kennen sie nur den billigen Glanz des Geldes. Gegenprogramme können differenziertes Erleben ermöglichen. Zum Beispiel hier.

Beim Eintritt in die Ausstellung begrüßt uns die lebhaft strahlende Koloristik der Claudia Classen. Vier Querformate. Enorme Findung von fast plastisch geformten Farbklängen. Eine Saite ist gestimmt. Der Blick nach rechts und weit nach links trifft auf die expressiv übersteigerte Konkretheit der Bildmotive des Christoph Bouet. Kraftvoll markant im pastosen Farbauftrag nicht nur ein Regenabend und die Landschaft des Cassis, nein, auch tatsächlich ein zur Zeit so unübliches Arbeiterbildnis. Warum kann der körperlich arbeitende Mensch heute nicht mehr gemalt werden? Bouet meistert das Sujet souverän: Ja, man kann also. Daneben nicht minder stark die schwarz-weißen Kartondrucke der Katrin König. Hier die sonst mehrere Meter hohen Formate auf Galeriemaß gebracht. Wir spüren: Jugendlich motivierte Talente, die nichts studiert Schulisches mehr an sich haben, expandieren.

Diese auf den ersten Blick faszinierenden Bildmotive werden flankiert von den sensibel zarten, in gedämpftem Kolorit gegebenen Acrylblättern von Donata Hillger und den knapp akzentuierten Landschaftsaquarellen der Andrea Ackermann. Wohltuend zurückgenommen die kleinen Quadrate der Deutungen und Andeutungen »In der Stille des Wachseins« bei Karola Thomas. Und vollends in die Sphäre meditativer Traumerlebnisse entschwebend Tanja Klings Blätter »Man darf wieder magisch denken«. Der Magie der Stille verpflichtet scheinen auch Katja Kramer und Thomas Sieber mit ihren Ausflügen in die grafische Delikatesse. Der offenbar bis hin in Bereiche von Illustration und Wandgestaltung recht vielseitig agierende Franz Gabriel Walter setzt streng komponierte Farbakzente mit den drei Kleinformaten aus der Serie »Solitude«.

Für solcherart Kabinettausstellung ein Glück, dass zwei Paris-Schülerinnen sich inzwischen ganz dem Vermitteln von künstlerischen Körpern im Raum widmen. Wobei Cathleen Meier die Flächenkunst des dekorativen Holzschnitts ebenso beherrscht wie das plastische Gestalten im Steinguss. Akzentuierte Menschendarstellung und Abstrahieren davon – kein Problem. Ein Kuriosum der reizvollsten Art liefert die Jüngste dieser jungen Crew von in den siebziger Jahren Geborenen. Die Ukrainerin Maria Volokhova zierte einst die Malklasse opponierend mit großformatigen Radierungen. Nun greift sie doch zum Malpinsel, um volkskünstlerisch naive Blumenmotive auf ihre verrückt verformten Porzellangebilde zu bringen. Eines charmanter als das andere. Eine Augenweide.

Ja, das sind die Zwölf. Einst arbeiteten sie auf engstem Raum in der Hochschule zusammen. Zwei Quadratmeter für jeden. Ronald Paris hat die Szene damals in einer Gouache verewigt. Und jetzt auf eine Staffelei gestellt. Mit zwei lebensgroßen Kohlezeichnungen eines munter Gitarre spielenden Wolf Biermann und die einer nachdenklichen Inge Keller zeigt Paris außerdem Neuestes vom Jahr 2009. Die drei kleinen Ölbilder daneben beweisen den Malmeister der Sonderklasse. Der so breit ausfächernd und tief zu wirken weiß auf die, welche in Zukunft die Kunstszene bestimmen sollten. Selbst wenn sie als Informationstechniker oder Kleinstunternehmer oder Gelegenheitsjobber ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Und denen damit offensichtlich von dieser Gesellschaft der gleichberechtigt etablierte Zutritt als Künstlerinnen und Künstlern verweigert wird.

STANDPUNKTE 2010. Die Malklasse Ronald Paris Burg Giebichenstein. Galerie Kunstflügel Seebadallee 50, 15834 Rangsdorf, bis 12. September, Mi-Fr, So 14-18

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