Offene Tür bei der Chaos-S-Bahn

Sprecher der Bahntochter kündigt erhöhte »Entschuldigungsleistungen« an

  • Erich Preuß
  • Lesedauer: 2 Min.

Tag der offenen Tür bei der Berliner S-Bahn. Der Anlass: 100 Jahre Werkstatt Grünau. Doch angesichts der anhaltenden Misere kein Termin ohne Brisanz. Jede S 8 von Blankenburg brachte einen vollen Schub Neugieriger zur Werkhalle. Die zahlreich erschienenen Berliner konnten sich in der Werkstatt Fahrmotoren-, Radsatzwechsel sowie Wirbelstrom- und Ultraschallprüfungen ansehen, alles Vorgänge, die für einen sicheren Betrieb der S-Bahn nötig sind.

Die S-Bahn gehört zum täglichen Leben, weshalb viele besorgt und immer noch empört sind, dass wegen des Profits des Bahnkonzerns die Zuverlässigkeit des wichtigsten Verkehrsmittels der Hauptstadt leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurde. Dieser Missklang wurde auch in den Foren deutlich, als die Geschäftsführer der S-Bahn, Peter Buchner (Sprecher) und Jürgen Konz (Produktion), die Fragen der Besucher beantworteten.

Die Antworten vielen eindeutig aus: So wird in diesem Jahr weder die Panorama-S-Bahn fahren noch die Weihnachts-S-Bahn mit den historischen Fahrzeugen, auch gibt es keine Jazz-Werkstatt im Schöneweider Werk. »Wir setzen klare Prioritäten für den Regelverkehr«, sagte Buchner, denn da haben wir noch einige Probleme. Er nannte die Überprüfungen der Radsätze an den Baureihen 481 und 485. Man sei jetzt dabei, eine neue Organisation der Qualitätssicherung sowie ein neues EDV-System aufzubauen.

Die Fahrzeugdecke ist immer noch zu kurz mit 460 Viertelzügen statt der benötigten 550, so dass nur die Linien S 3 und S 5 mit Vollzügen gefahren werden können. Buchner nannte keinen Termin für das Ende der Misere. Er kündigte erhöhte »Entschuldigungsleistungen« an, die 70 Millionen Euro kosten, wie für Abo-Monatskarten Freifahrt im November und Dezember. Die Einzelkarte soll wieder als Tageskarte gelten.

Die häufigen Untersuchungen und die Fahrgeldausfälle sind unwirtschaftlich. Sie kann sich normalerweise kein Unternehmen leisten, auch nicht, wenn die 3000 S-Bahner durch »innere Überzeugung und Leidenschaft« motiviert sind, wie Peter Buchner deren Gefühlswelt beschrieb. Müssten nicht eines Tages neue Fahrzeuge fahren, deren Radsätze, Bremsen, Belüftung und die Bahnfestigkeit den Ansprüchen genügen? Die Nachfrage ergab, dass es dafür bei der S-Bahn keine Ambitionen zu geben scheint.

Stattdessen erfuhr der erstaunte Gast von Jürgen Konz, die Fahrzeuge seien nicht in zwei, drei Jahren zu konstruieren. Und dann müsse man erst mal einen Hersteller für 650 Viertelzüge finden! Man scheint sich lieber von einem Jahr in das nächste zu wursteln. Die Wahrheit wird sein, dass der Wunsch, in neue Fahrzeuge zu investieren, bei der Konzernleitung auf taube Ohren trifft.

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