Die private Videoüberwachung und ihre Tücken

Grundstückssicherheit

  • Lesedauer: 4 Min.

Seit es die technische Entwicklung nahezu jedem möglich macht, sich durch Videoüberwachung zu schützen, rückt dieses Thema immer mehr in den Mittelpunkt bei der Sicherung von Grundstücken. Grundstückseigentümer und -nutzer denken zumindest über die Möglichkeit der Sicherung ihres Grundstücks durch Überwachungskameras nach. Dies war auch Auslöser eines unlängst vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streites (BGH-Urteil vom 16. März 2010, Az. VI ZR 176/09).

Der Fall:
Gestritten wurde nach einem verlorenen Rechtsstreit zwischen einem Grundstücksbesitzer und seinem Nachbarn. Nachdem eine Firma im Auftrag des Besitzers an der von ihm gemieteten Doppelhaushälfte diverse Videokameras zur Überwachung des Grundstücks installiert hatte, war dieser von den Nachbarn in einen Streit verwickelt und auf Entfernung der Kamera, hilfsweise Unterlassung der Videoüberwachung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts, in Anspruch genommen worden.

Die Kameras waren so installiert und eingestellt, dass eine Überwachung ausschließlich des eigens genutzten und gemieteten Grundstücks dieses Besitzers erfolgte. Allerdings hätten auch durch manuelle Veränderungen der Kameraeinstellung Vorgänge auf dem Nachbargrundstück erfasst werden können.

Der Grundstücksbesitzer beanspruchte nunmehr von der beauftragten Firma Schadensersatz, weil im Streit mit den Nachbarn geurteilt wurde, dass die Kameras zu beseitigen sind.

Die Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof urteilte, dass ein Schadensersatzanspruch nicht besteht.

Zum einen ist vom Lieferanten einer Überwachungsanlage lediglich vollständige Auskunft über Zustand und Eigenschaften der Anlage zu geben. Es ist jedoch keine Belehrung erforderlich, ob oder unter welchen Umständen die Anlage ohne Verletzung der Rechte Dritter benutzt werden darf.

Zum anderen lag nach Beurteilung des Bundesgerichtshofes – abweichend von den Entscheidungen der Gerichte im Streit der Nachbarn – keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Nachbarn durch die so installierte Anlage vor.

Der Bundesgerichtshof hat unter Bekräftigung seiner bisherigen Rechtsprechung die geltenden Grundsätze für eine Installation von Überwachungskameras wie folgt zusammengefasst:

1.
Die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung mittels einer Videokamera, auch in den der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen, stellt einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht besteht. Allerdings ist bei der Beurteilung einer solchen Verletzung eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (so BGH-Urteil vom 25. April 1995, Az. VI ZR 272/94). Grundsätzlich greift eine Videoüberwachung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen – Recht der informationellen Selbstbestimmung – ein.

2.
Bei der Installation von Anlagen der Videoüberwachung auf Privatgrundstücken ist sicherzustellen, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich, noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von den Kameras erfasst werden. Eine Ausnahme gilt dann, wenn ein überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage bejaht werden kann, was grundsätzlich nur in ganz wenigen Ausnahmefällen, so zu erwartender oder gegenwärtiger Übergriffe auf wertvolle Rechtsgüter wie Gesundheit und Leben, in Betracht kommen dürfte.

3.
Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht Dritter liegt dann vor, wenn sie durch die Überwachung tatsächlich betroffen sind. Ein Unterlassungsanspruch kann aber auch schon dann bestehen, wenn Dritte eine Überwachung durch Kameras ernsthaft befürchten müssen. Dies ist zu verneinen, wenn der Nachbar die Anfertigung von Aufnahmen zwar lediglich befürchtet, die Kameras aber nicht tatsächlich auf sein Grundstück gerichtet sind. Allein die Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte ist noch keine Beeinträchtigung, wenn objektiv feststeht, dass dadurch öffentliche und fremde private Flächen nicht erfasst werden. Hierzu bedarf es der Einzelfallbewertung.

Fazit:
Aus dem Urteil folgt, dass ein Grundstückseigentümer oder -nutzer sehr wohl sein eigenes Grundstück durch Überwachungskameras schützen kann, dabei aber darauf achten muss, dass sie lediglich den eigenen Grundstücksbereich erfassen und nicht offenbar oder durch ohne weiteres vorzunehmende Veränderungen (z. B. mittels Betätigen einer Steuerungsanlage) auf Bereiche außerhalb des eigenen Grundstücks gerichtet werden können.

FRANK AUERBACH, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Berlin-Pankow

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