Hauptstadt der Bürgerbegehren

In Hamburg mobilisiert ver.di gegen Privatisierungen ohne Zustimmung der Bürger

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
In Hamburg werden, nicht zuletzt angesichts der Kassenlage in der Hansestadt, weitere Privatisierungen öffentlicher Unternehmen befürchtet. Jetzt fordern tausende Bürger, die Hamburger künftig direkt über solche die Privatisierungen entscheiden zu lassen. Von der regierenden CDU kommen »starke Bedenken«.

Hamburg wird zur Hauptstadt der Bürgerbegehren. Einen Monat nach einem erfolgreichen Volksentscheid gegen die Schulreform des schwarz-grünen Senats gab die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gestern 13 800 Unterschriften im Hamburger Rathaus ab. Ihr Ziel: die Hanseaten künftig direkt über die Privatisierung öffentlicher Unternehmen entscheiden zu lassen.

»Es wird keiner verhaftet und wenn überhaupt, dann ja ich«, scherzte der Hamburger ver.di- Landeschef Wolfgang Rose, bevor die Delegation mit ihren Leitz-Ordnern das Rathaus betrat. Innerhalb von drei Wochen hat die Volksinitiative »Die Stadt gehört uns – Keine Privatisierung gegen den Bürgerwillen« die nötigen 10 000 Unterschriften gesammelt, die zur Einleitung eines Volksbegehrens notwendig sind.

»Der Senat muss seine Bürger befragen, bevor er ihr Eigentum verkauft«, bekräftigte Rose, der sich gegenüber der Landesregierung gesprächsbereit zeigte: »Ich erwarte, dass sich CDU und GAL nun zu dieser erfolgreichen Volksinitiative äußern. Am liebsten wäre uns, wenn der Senat unseren Vorschlag übernimmt und in die Verfassung schreibt.«

Der Entwurf sieht vor, dass öffentliche Unternehmen, die »dem Gemeinwohl, der Daseinsvorsorge und der Infrastruktur« der Stadt dienen, sowohl komplett als auch anteilsweise nur noch privatisiert werden dürfen, wenn das Volk innerhalb von vier Monaten nach dem Verkaufsbeschluss zustimmt. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Robert Heinemann meldete »starke Bedenken« gegen die Initiative an und stellte in Frage, ob die Festschreibung »politisch überhaupt sinnvoll wäre«.

»Es geht uns nicht darum, etwas für alle Zeit festzulegen oder zu verhindern«, betonte Rose dagegen. »Aber nach dem skandalösen Verkauf der Krankenhäuser darf es keinen neuen Betrug mit dem Tafelsilber geben, denn es gehört dem Volk und nicht der schwarz-grünen Koalition.«

Im Jahr 2004 war ein Volksentscheid gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser mit großer Mehrheit angenommen worden. Der Betrieb wurde allerdings trotzdem an den privaten Träger Asklepios veräußert, da Volksentscheide in Hamburg damals nur eine beratende Funktion besaßen. Erst seit 2008 ist das Instrument direkter Demokratie verbindlich. »Wir sehen die große Gefahr, dass auch die Universitätskliniken privatisiert werden«, erklärte Petra Klöppelt vom Personalrat des Universitätsklinikums Eppendorf ihr Engagement.

Sollte der Hamburger Senat den Entwurf der Volksinitiative nicht übernehmen, müssen die Initiatoren im Frühjahr 2011 wenigstens 61 834 Unterschriften sammeln, um einen Volksentscheid einzuleiten. Da es sich bei der ver.di- Initiative um eine Verfassungsänderung handelt, müsste dann allerdings mindestens die Hälfte aller Wahlberechtigten zustimmen, das wären derzeit 618 336 Hamburger.

Bereits heute wird in Hamburg ein weiteres Volksbegehren eingeleitet: Die u. a. von Attac, Robin Wood und dem Mieterverein zu Hamburg getragene Initiative »Unser Hamburg – unser Netz« übergibt der Bürgerschaft die nötigen Unterschriften zur Rekommunalisierung der Energienetze. Die Stadt wird darin aufgefordert, die bestehenden Konzessionsverträge mit den privaten Betreibern Vattenfall und E.on zu kündigen.

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