Multimedia und Mahler

Die 24. Jüdischen Kulturtage präsentieren elf Tage Kunst aus allen Genres

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
Plattencover der Band »Jewdyssee«
Plattencover der Band »Jewdyssee«

Zeitgleich zum »Tanz im August« feiert Berlin auch seine bereits 24. Jüdischen Kulturtage. Mit 16 Veranstaltungen legen sie elf Tage lang Zeugnis vom jüdischen Leben in der Stadt ab und laden dazu Künstler auch aus Israel ein. Wieder reicht das Angebot von Klassik bis Rock, von Wort bis Bild. Synagogale Musik der letzten Jahrhunderte stellt der Eröffnungsabend »Hört unser Lied« in der Synagoge Rykestraße vor, bringt junge Kantoren aus New York und Montreal, den Pianisten und Komponisten Reymond Goldstein aus Jerusalem sowie den RIAS-Kammerchor zusammen.

Mit Karolina Avratz, Dana Adini und Yael Deckelbaum präsentieren sich in einem Pop-Konzert am selben Ort drei Shootingstars der israelischen Szene: HaBanot Nechama, die »Trostmädchen«, stehen für ein Folk-Soul-Reggae-Gemisch, das bereits in den USA und Kanada für Furore sorgte. New Jewish Folk Songs haben Efrat Alony und die Bigband des Hessischen Rundfunks im Gepäck. Die Jazz-Sängerin und Wahl-Berlinerin liebt den Mix aus Pop, Rock, Jazz und bekennt sich zu Einflüssen von Arvo Pärt bis Radiohead.

Bei einem Podiumsgespräch im Jüdischen Museum fragen sich Georg Kreisler und Oliver Polak gegenseitig: »Wie lebt es sich als Jude?« Moderatorin Shelly Kupferberg dürfte dem geistreichen Kabarettisten und dem jungen Comedian so provokante wie witzige Bekenntnisse entlocken. Tags darauf liest Kreisler gemeinsam mit Barbara Peters aus neuen Büchern. »Anfänge« fragt heiter nach den Beschwerlichkeiten eines Beginnens, denn: Aller Anfang ist leicht, durchhalten schwer. »Zufällig in San Francisco«, sein erster Lyrikband, brachte ihm unlängst den Hölderlinpreis ein. Peters wird einige Liedtexte Kreislers schauspielerisch umsetzen.

Auch die Begegnung mit Klezmer fehlt nicht. Unter der Hand von Leon Gurvitch fusionieren Klezmer-Elemente, Tradition vom Balkan, aus Lateinamerika, dem Orient und zeitgenössischer Jazz. 2000 gründete er seine eigene Band, konnte für das Tour-Programm »Klezmer meets Jazz« den Klezmer- und Jazz-Trompeter und Grammy-Gewinner Frank London gewinnen.

In der Synagoge Rykestraße erleben Rami Kleinstein & Band ihre Deutschlandpremiere. In Israel gilt der Komponist und Performer von Lovesongs zu zartem Klavierklang als Superstar. Zwischen den Titeln streut er Anekdoten zur israelischen Geschichte ein. Auch die Grande Dame des Folksongs tritt auf: Chava Alberstein singt Hebräisch und Jiddisch, verbindet Klezmer, amerikanischen Folk, französisches Chanson, erzählt von der Sehnsucht nach Frieden und Liebe, von Elend und Unterdrückung, den Problemen später Immigranten.

Im Centrum Judaicum liest Sophie Rois aus »Licht und Schatten«, den Memoiren der Schauspielerin und Regisseurin Leontine Sagan. In Budapest wurde sie 1889 geboren, erlangte mit dem Film »Mädchen in Uniform« Ruhm, ging mit der Bühnenversion auf Tournee; 1974 starb sie in Pretoria.

Auf den Tag genau 100 Jahre nach Gustav Mahlers letzter Note zu seiner 10., unvollendeten Sinfonie schließen die Kulturtage mit einer Premiere: Yoel Gamzous Ausarbeitung und Rekonstruktion des Torsos. Der Gründer und Leiter des International Mahler Orchestra, gerade 23, gilt als so außerordentliche Begabung wie der von Artur Rubinstein, Leonard Bernstein geförderte Elisha Abas. Im 1. Teil des Abends spielt er Schumanns Klavierkonzert a-moll. Zuvor jedoch wird gefeiert: Vor dem Gemeindehaus Fasanenstraße baut der Shuk Ha’Carmel auf, Tel Avivs größter Markt. Ernste Töne bringen die Fotoausstellung um Überlebende der Schoah und eine Multimedia-Inszenierung über heimatloses Wandern in die Kulturtage.

26.8.-5.9., Jüdische Kulturtage, Kartentelefon 01805-57 00 00 und 882 42 50, Infos und Programm: www.juedische-kulturtage.org

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