Schreiben war Leben

»Verboten – verfemt – vertrieben«: Edda Ziegler über Schriftstellerinnen im Widerstand

  • Sabine Neubert
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass sich Nachkriegsdeutschland, vor allem Westdeutschland, mit der Wahrnehmung von Exilliteratur lange schwer getan hat, ist heute hinlänglich bekannt, auch dass es heftige Debatten zwischen Vertretern des sogenannten »inneren« und des »äußeren« Exils gegeben hat. Erst spät setzte die Exilforschung ein, in Ostdeutschland war sie vor allem politisch motiviert. Wenn Edda Ziegler im Zusammenhang mit Lisa Fitkos 1985 veröffentlichtem Erinnerungsbuch »Mein Weg über die Pyrenäen« (mit der Schilderung des tragischen Endes von Walter Benjamin) von einem damaligen »Boom der Exilforschung« spricht, suggeriert das zugleich den Tatbestand, dass Exilforschung insgesamt seitdem wieder aus der literarischen Öffentlichkeit zurückgetreten und einem kleinen Spezialistenkreis vorbehalten ist.

Bekannt sind die Werke und Exilwege relativ weniger, vor allem der »ganz Großen«, und dies fast nur von Männern. Im übrigen hat man den Eindruck, dass zu Zeiten einzelne Werke, vor allem lyrische, zu »Moden« avancieren, die Schicksale ihrer Verfasser oder Verfasserinnen aber weit weniger interessieren. Man denke etwa an Else Lasker-Schülers expressionistische Dichtung oder an Mascha Kaléko, in deren »Asphaltliteratur« (vor 1933) sich ein augenblickliches (Großstadt-)Lebensge- fühl wieder zu finden scheint.

Die Fokussierung auf Einzelnes verstellt den Blick auf das Übrige. Grob vernachlässigt wurde lange Zeit die Exil-Frauen-Forschung – auch in der verdienstvollen Exil-Reihe von Reclam Leipzig in den achtziger Jahren. Im Band »USA« finde ich eine Abbildung mit dem Titel »Geistige Emigration« Das Gemälde zeigt zwischen fast vierzig Männern gerade einmal fünf Frauen, eine davon, neben Albert Einstein, ist Erika Mann. Viele der von den Nazis verbotenen und vertriebenen Schriftstellerinnen und deren Romane, Dramen und Autobiografien sind vergessen, manches wurde nie gedruckt.

»Die öffentliche Missachtung der Schriftstellerinnen in der Emigration hat Tradition«, schreibt Edda Ziegler, »die Erfahrungen einer ganzen Frauengeneration mit dem nationalsozialistischen Deutschland, mit Verfemung, Verfolgung, Vertreibung, dem Leben in den Gastländern und den damit einhergehenden Schwierigkeiten wurden jahrzehntelang nicht wahrgenommen – nicht im öffentlichen Bewusstsein und auch nicht in der Exilforschung. »Die Geschichte der Frauen im Exil, so die Autorin, muss noch geschrieben werden.

Mit diesem Buch leistet sie mehr als nur einen Anfang. Der relativ schmale Band – offensichtlich aus einer Vorlesungsreihe der Dozentin für Neuere Deutsche Literatur hervorgegangen – bietet kompakt, überschaubar, klar gegliedert, dazu informativ, einen Überblick über Schicksale der Autorinnen und ihrer Werke, das reicht von bekannten bis hin zu vergessenen. Die Darstellung ist ungewohnt, nicht auf Teilaspekte, etwa Jüdisches, Politisches oder Literarisches, spezialisiert. Mit Frauenblick wird Weibliches dargeboten. Jedem Kapitel sind ausgewählte Porträts hinzugefügt.

Es beginnt mit dem »literarischen Markt vor 1933«, auf dem sich Frauenliteratur erstmals sehr eigenwillig behauptet. Nach der Bücherverbrennung folgen die Wege ins Exil, Desillusionierungen und alltäglicher Lebenskampf. Edda Ziegler verdeutlicht, dass dieser zumeist den Frauen auferlegt war und sie in den Hintergrund hinter die Männer drängte, dass andererseits aber gerade für Schriftstellerinnen ihr Schreiben auch zum »Mutterland Wort« (Rose Ausländer) wurde. Ein Kapitel ist den Schriftstellerinnen im Internierungslager Gurs gewidmet. Der »Innere Widerstand« (zum Beispiel einer Ricarda Huch) und schließlich die Fremdheit nach der Rückkehr runden die Darstellung ab.

Am Ende fragt die Autorin noch einmal: Wer von den Frauen wird über das rein literaturhistorische Interesse hinaus noch gelesen? Sie nennt wenige, (die schon genannte) Mascha Kaléko, Anna Seghers und »ihr Gegenstück« Vicki Baum, die ihre Popularität einst der literarischen Unterhaltungsindustrie verdankte. Aber wer liest heute noch Vicki Baum? Ich denke, es sind schon noch mehr Schriftstellerinnen im Gedächtnis. Manche Dichtung wird nur Zeitzeugnis bleiben, anderes sich im Kanon der Weltliteratur behaupten.

Edda Ziegler: Verboten – verfemt – vertrieben. Schriftstellerinnen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Deutscher Taschenbuch Verlag. 367 S., brosch., 12,90 €.

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