Sparpakete zum Geburtstag

Der »bunte Hund« von Wülfrath hat mit einer Wette für Bewegung an Ortseingängen gesorgt

  • Lutz Debus
  • Lesedauer: 3 Min.
An Ortseingangsschildern kann man seit einiger Zeit seltsame Menschengruppen beobachten. Sie drapieren selbstgebastelte »Sparpakete«, auf denen »Annahme verweigert« zu lesen ist, und halten Schilder in die Kamera. Grund ist eine Wette.
Klaus H. Jann ist Auslöser der Wette, mit der er gegen die Sparpläne der Bundesregierung protestieren (lassen) will – wie hier in Berlin.
Klaus H. Jann ist Auslöser der Wette, mit der er gegen die Sparpläne der Bundesregierung protestieren (lassen) will – wie hier in Berlin.

Gut 20 000 Einwohner hat das zwischen Düsseldorf und Wuppertal gelegene Wülfrath. In der Kleinstadt, so die feste Überzeugung von Klaus H. Jann, schlägt das Herz der Revolution. Augenzwinkernd, aber auch ein wenig stolz zeigt der 69-Jährige sein Arbeitszimmer in der Innenstadt mit Che-Guevara-Foto an der Wand. Jann hat eine Schwäche – er wettet gern und am liebsten mit öffentlichem Publikum. Einer Wette sind auch die Menschenansammlungen an den Ortseingängen zu verdanken. 200 Fotos müssen es werden, dann hat er gewonnen.

Jann ist das, was man eine »schillernde Persönlichkeit« nennt. 23 Jahre war Jann im Rat der Stadt, bis 1990 als Mitglied der DKP, nach dem Ende der DDR als Gründungsmitglied der Demokratischen Linken Wülfrath (DLW). Vor drei Jahren erst legte er sein Mandat nieder. Während seiner Amtszeit gelang es ihm und seinen Genossen, für westdeutsche Verhältnisse sensationelle Wahlergebnisse von bis zu knapp 17 Prozent zu erzielen. Bei der Wahl zum Bürgermeister 1999 unterlag Jann mit etwa 25 Prozent der abgegebenen Stimmen dem gemeinsamen Kandidaten von CDU, FDP und – SPD. Dabei war ihm die Sozialdemokratie in seiner Jugend politische Heimat. Doch 1961 wurde er wegen der Teilnahme an der Ostermarschbewegung wie Tausende andere aus der Partei ausgeschlossen.

Bei einem Ostermarsch lernte er auch seine Frau kennen. Diese war Mitglied in der KPD. An die Zeremonie seiner Aufnahme in der illegalen Partei erinnert sich Jann genau. »Ich war bei einem Maurerpolier und seiner Frau in der Wohnung. Sie suchten lange, bis sie unter dem Teppich die benötigte Schallplatte fanden.« Von ihr vernahm er dann eine Ansprache des 1. Sekretärs der KPD, Max Reimann, der in Ostberlin lebte.

Mit anderen jungen Männern zog Jann mit einer Fahne des Vietcong vor das örtliche Gymnasium, sammelte bei den Pennälern 1600 Mark für die Befreiungsbewegung. 1968 wollte er mit 50 Mitstreitern im Städtchen Neviges ein Kriegerdenkmal abreißen. Die eisernen Schwingen des Preußischen Adlers hatte man abgesägt, als die Polizei einschritt. Das Denkmal wurde ein Jahr später abgerissen. Die Restaurierung war zu kostspielig.

Als der gelernte Schriftsetzer beim Volontariat in der heimischen Lokalzeitung seinen Vorgesetzten mitteilte, dass er Mitglied der frisch gegründeten DKP sei, scherzten diese zunächst. »Wer in seiner Jugend kein Kommunist war, wird nie ein guter Sozialdemokrat« – die Neue Ruhr Zeitung war damals quasi eine SPD-Postille. Doch dann wurden ihm Entlassung nebst Hausverbot mitgeteilt.

Die DKP baute gerade ihre Parteizeitung »Unsere Zeit« auf, bald arbeitete Jann als Auslandskorrespondent. Seine Reisen im Tross von offiziellen DDR-Delegationen führten ihn in viele afrikanische Staaten, die ihre gewonnene Unabhängigkeit feierten. Bei einer dieser Reisen zog sich Jann eine Viruserkrankung zu. Nach langem Krankenhausaufenthalt entschloss er sich, in dem Ort, in dem er bekannt war wie der sprichwörtliche bunte Hund, Lokalpolitiker zu werden. Außerdem gab er den »Roten Reporter« heraus, die meistgelesene Wochenzeitung in Wülfrath. Immer wieder griffen Jann und seine Genossen lokale Skandale auf und waren Anwälte der »einfachen Leute«.

An diesem Wochenende feiert Klaus H. Jann seinen 70. Geburtstag. Wer dem Jubilar eine Freude machen will, sollte ihm ein Foto zusenden, auf denen ein Ortseingangsschild zu sehen ist – samt »Sparpaketen« mit der Aufschrift »Annahme verweigert«. Denn Klaus H. Jann hat wieder einmal in Thomas-Gottschalk-Manier gewettet – wie immer »weltanschaulich korrekt«. Mit einer örtlichen Unternehmerin wettete er, dass sich bis Ende September in 200 Orten der Bundesrepublik Menschen als Fotomotive mit den genannten Paketen und Schildern aufstellen. So soll Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden, wünscht sich Jann, und er hat in seiner jetzigen Partei, der LINKEN, zum Teil begeisterte Zustimmung ausgelöst. Verliert er, muss er 1000 Euro an »Milch für Kubas Kinder« spenden. Gewinnt Jann, zahlt die Unternehmerin pro Ortsschildfoto zehn Euro an diese Organisation – also mindestens 2000 Euro.

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